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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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Ziemlich offiziell.«
    »Und ziemlich warm. Im Sommer würde ich auch gern etwas anderes tragen, aber wer würde einem Anwalt in kurzen Hosen und Hawaiihemd vertrauen?«
    »Ich vertraue auch Anwälten in teuren Anzügen nicht … Komm rein, und leg ein bisschen was von deinem ab«, sagte Saskia, drehte sich um und ging voran.

    Ihre Wohnung war groß und hell. Durch die hohen Fenster der alten Villa floss gelbes Abendlicht ins Wohnzimmer. Die pastellfarbenen Wände schienen mithilfe des Lichts eine eigenartige Energie zu entwickeln, sie strahlten förmlich. Der Raum wirkte wie ein Gemälde, alles harmonierte perfekt miteinander. Die kräftigen Farben der Vorhänge mit den Wänden, die Linie der Möbel mit der vorgegebenen Architektur des Hauses, die breite Couch mit den darauf gestapelten Kissen. Es gab keine Deckenlampe, dafür aber eine große Anzahl von Tisch- und Stehlampen.
    »Gefällt es dir?«, fragte Saskia, während sie in die Küche entschwand.
    Sebastian sah ihr nach. Ihre nackten Füße hinterließen hauchzarte Abdrücke auf dem Parkett.
    »Wunderschön! Wenn ich mal eine Wohnung einrichten muss, engagiere ich dich.«
    »Ich bin aber furchtbar teuer«, rief sie aus der angrenzenden Küche.
    Eine Flasche wurde entkorkt.
    Sebastian schlenderte durch den Raum und betrachtete die Aquarelle an den Wänden. Es handelte sich dabei um verwaschene Landschaften; Bilder ohne harte Linien und mit Farben, die es in der Natur nicht gab. In der rechten unteren Ecke eines jeden Gemäldes befand sich ein Namenskürzel, das Sebastian nicht entziffern konnte.
    »Hast du die Bilder gemalt?«, rief er.
    Mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern kam Saskia aus der Küche. »Ja, die sind alle von mir.«
    »Du hast Talent.«
    »Und du keine Ahnung von Kunst.«
    Sie stellte Wein und Gläser auf dem Tisch ab und kam zu ihm herüber.

    »Schön, dass du da bist«, sagte sie, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn.
    Sebastian beugte sich hinunter und schloss seine Arme um ihren warmen Körper. Als sie sich nach einem endlosen Augenblick voneinander lösten, wirkte ihr Blick der Welt entrückt. Sie holte sich selbst mit einem Blinzeln zurück. »Hast du Hunger?«
    Ihre Stimme klang brüchig.
    »Nicht wie ein Wolf, aber immerhin …«
    »Dein Anruf kam zwar kurzfristig, und ich hab nicht viel da, aber ich glaube, ich kann irgendwas herbeizaubern. Setz dich, ich bin gleich wieder da.«
    An der Küchentür drehte sie sich noch einmal um. »Und leg endlich die Krawatte ab.«
    Sebastian zog sein Jackett aus und band die Krawatte ab, dann ließ er sich auf die Couch fallen und schloss für einen Moment die Augen. In der Küche klirrte Geschirr, die Kühlschranktür wurde aufgezogen und wieder zugeschlagen. Normale Geräusche in einer friedlichen Umgebung. Vor wenig mehr als zwei Stunden war er noch von fremdartigen Geräuschen in der potenziell gewalttätigen Umgebung der JVA umgeben gewesen, als er noch einmal Trotzek aufgesucht hatte. Jetzt, in dieser entspannten Atmosphäre, musste er sich eingestehen, dass es ihn abermals geängstigt hatte, sich mit dem Vatermörder in einem engen Raum zu treffen, obwohl der sich immer weiter öffnete und keinesfalls das Monster war, das man erwarten würde. Ja, er war auch nur ein Mensch, aber eben ein anderer. Eine bestimmte Grenze war überschritten, das ließ sich niemals wieder rückgängig machen, und auf der anderen Seite dieser Grenze galten für das menschliche Dasein andere Bedingungen. Wer gemordet hatte, verstand
sie, wer nicht gemordet hatte, konnte nur verständnislos mit dem Kopf schütteln.
    Saskia kam aus der Küche, stellte einen Teller Brotchips und Käsehäppchen auf dem Tisch ab, ließ sich neben ihn auf die Couch sinken und sah ihn an. »Du siehst geschafft aus.«
    Sebastian zuckte mit den Schultern. »Letzte Nacht habe ich nicht viel Schlaf bekommen, und der Tag war auch nicht der Beste.«
    »Willst du darüber reden?«
    Wollte er? Darüber, was sich in der stürmischen Nacht auf dem Hof zugetragen hatte und dass Taifun verschwunden war, konnte er sprechen, keine Frage, aber wollte er in dieser friedlichen Wohnung wirklich Trotzeks Geschichte ausbreiten? Nein, auf keinen Fall. Das hatte hier nichts zu suchen.
    Saskia bemerkte sein Zögern. Sie beugte sich zum Tisch, nahm die Weinflasche und goss die beiden bauchigen Gläser bis zur Hälfte voll. Eines nahm sie selbst, das andere reichte sie ihm.
    »Trink. Wein macht die Seele leichter und die Zunge beschwingter.«
    »Ich

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