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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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nicht mehr zu hören. Ihn jetzt zu suchen war allerdings zwecklos, rufen ebenso. Der Schäferhundrüde war mutig, furchtlos, das Wetter störte ihn nicht, denn er hatte noch keine schlechten Erfahrungen mit einem Gewitter gemacht. Hoffentlich wurde ihm das in dieser Nacht nicht zum Verhängnis!
    Edgar drückte sich an der Wand entlang auf den Eingang zu, Sebastian folgte ihm. Das Wasser floss jetzt knöcheltief vom Haus weg über den Hof in Richtung der Koppel. Am Fundament des Stallgebäudes strömte ein ansehnlicher Bach entlang, der viel Erdreich und Schotter mit sich führte. Edgar schloss die Stalltür auf, sie drängten sich hinein und zogen die Tür gegen den Wind kämpfend zu.
    Es war ein Schritt in eine andere Welt. Die Wärme des vergangenen Tages erfüllte den Stall, durchsetzt vom Geruch der Pferde und des Strohs. Nervöses Schnauben und Scharren von Hufen war zu hören, eines der Tiere polterte immer wieder gegen die Holzwand der Box. Der Regen trommelte aufs Dach.
    Edgar schaltete das Licht ein. In dem langen Mittelgang zwischen den Boxen waren in Kniehöhe kleine Lampen angebracht, deren schwacher Lichtschein nur auf den Boden fiel. Auf diese Weise wurden die Pferde nicht erschreckt oder geblendet. In der schummrigen Dunkelheit darüber ließen sich die Köpfe der Tiere mehr erahnen als sehen.
    In der ersten Box stand Falco. Aus der Dunkelheit schob
er seinen großen Schädel mit der über den Nüstern verlaufenden hellen Blesse über das Gatter. Er schnaubte leise, schien aber nicht nervös zu sein. Das hätte Sebastian bei seinem zuverlässigen Lieblingspferd auch gewundert. Er tätschelte ihm den Hals und sagte ein paar lobende Worte. Warme Luft aus seinen Nüstern streifte Sebastians Wange. Edgar kümmerte sich derweil um Serafina. Die zweijährige schwarze Stute schien von allen am nervösesten zu sein. Sie war es auch, die immer wieder gegen die Boxenwand trat. Ein einziges nervöses Pferd konnte einen ganzen Stall in Panik versetzen.
    Edgar tätschelte ihre Flanke und sprach beruhigend auf sie ein.
    »Die anderen sind so weit in Ordnung«, sagte er, als Sebastian durch den Mittelgang auf ihn zukam. »Ich glaube …«
    Plötzlich klapperte es auf der anderen Seite des Stalls. Ein lautes, metallenes Geräusch, das sie beide zusammenzucken ließ. Serafina begann sofort wieder nervös zu tänzeln, schnaubte, ihre Ohren zitterten. Edgar sprach erneut auf sie ein und warf seinem Sohn einen warnenden Blick zu.
    »Ich sehe nach«, flüsterte Sebastian.
    Die andere Hälfte des Stalls war nicht in einzelne Boxen unterteilt, sondern eine große, freie Fläche, auf der Stroh, Hafer und einige Gerätschaften für die Pflege der Pferde lagerten. Dahinter türmten sich eckige Strohballen vom Boden bis unter die Decke. Sebastian schaltete die Taschenlampe ein und ließ den scharf umrissenen Lichtkreis über die Strohwand wandern. Früher, als Kind, war dies einer seiner Lieblingsplätze gewesen, sowohl zum Spielen als auch zum Verstecken. An keinem anderen Ort des Hofes hatte er sich sicherer und geborgener gefühlt. Jetzt aber
schlug sein Herz dumpf und schnell, während er sich den Strohballen näherte, zwischen denen es viele Löcher und Nischen gab. Auf Höhe des Holzregals, in dem die Futterzusätze lagerten, blieb er stehen, ließ den Lichtkegel umherwandern, konnte aber nichts entdecken, was er für das metallene Geräusch hätte verantwortlich machen können.
    Edgar trat hinter ihn.
    »Was gesehen?«, fragte er leise.
    Sebastian wollte schon den Kopf schütteln, hielt aber plötzlich inne und ließ den Lichtkegel zurückwandern. Da! In einer schwarzen Höhle zwischen den Strohballen glühten grüne Augen. Der Kater! Er gehörte wie Taifun zum Hof, hatte aber weder einen Namen noch eine ihnen bekannte Abstammung. Niemand hatte ihn eingeladen, er war irgendwann einfach eingezogen, und obwohl er nicht gefüttert wurde, blieb er.
    Der Kater starrte sie an, sie starrten zurück. Nur langsam löste sich in Sebastian die Anspannung. Wahrscheinlich hatte der Kater das Geräusch verursacht. Wer auch sonst? Warum hatte er sich so geängstigt? Es gab hier nichts, wovor Menschen Angst haben mussten.
    »Lass uns ins Haus zurückgehen«, sagte Edgar. »Hier ist so weit alles in Ordnung.«
    Sie löschten das Licht und verließen den Stall. Das Unwetter tobte noch, hatte aber an Stärke verloren. Eng an die Außenwand gepresst verharrten sie und spähten in das dunkel unter ihnen liegende Tal. Die zuckenden Blitze

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