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Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein

Titel: Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Winkelmann
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sollten, und verabschiedete sich dann. Der einzige gangbare Weg in dem riesigen Neubau führte durch die weitläufige Produktionshalle; ein schier endloser Weg, vorbei an all den glotzenden Maurern, die ihr die üblichen Pfiffe jedoch glücklicherweise ersparten. Auf dem großen, noch leeren Parkplatz des zukünftigen Firmengeländes angelangt, rannte sie die zweihundert Meter zu ihrem Wagen. Es war ihr egal, ob sie dabei beobachtet wurde. Plötzlich hatte sie das übermächtige Gefühl, zu spät zu kommen.

    Die alten Leute waren freundlich und ohne Argwohn, bewirteten sie mit Tee und Keksen, und die anfänglichen Fragen nach ihrer Familiengeschichte hatte sie schnell durch Gegenfragen abblocken können. Der alte Herr war schwerhörig, trotz des deutlich sichtbaren Geräts in seinem Ohr schien er nicht viel mitzubekommen. Er sagte kaum etwas und machte einen abwesenden Eindruck. Wahrscheinlich Alzheimer in fortgeschrittenem Stadium. Dafür quasselte seine Frau ohne Unterbrechung. Es war nicht schwer gewesen, sie zu animieren, Geschichten aus ihrem Leben zu erzählen. Das war bei alten Menschen immer leicht, denn letztendlich war ihnen nichts weiter als die Erinnerung geblieben. Im Falle der Ostrowskis füllte sie Bände, und Ellie erfuhr alles, angefangen von der Flucht aus Ostpreußen, den kurzen Aufenthalten in Berlin und Dresden, dem späteren beruflichen Aufstieg des Mannes zum Leiter eines Laufwasserkraftwerks und der schmerzhaften Kinderlosigkeit.
    Eine Dreiviertelstunde hielt sie es in dem tiefen grünen Sessel aus, trank sechs Tassen Tee und stopfte sich mit leckeren Schokoladenkeksen voll. Je länger sie jedoch dem Gequassel der alten Frau lauschte, desto stärker wurde das Drängen in ihr. Sie war nicht hierhergekommen, um Zeit mit alten Leuten zu vertrödeln. Sie hatte etwas zu tun, den letzten Schritt auf dem Weg zur Vereinigung, und es wurde nun Zeit, diese netten Menschen, die ein Hindernis darstellten, aus dem Weg zu räumen. Also unterbrach sie den Redeschwall und fragte nach der Toilette. So konnte sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, denn ihre Blase war zum Zerbersten gefüllt.
    Frau Ostrowski führte sie durch das weitläufige Erdgeschoss, quasselte dabei munter weiter, wies auf dieses Bild
und jenes Exponat hin und wandte ihr dabei die ganze Zeit den Rücken zu. Ellies Hand verschwand in der Damenhandtasche, ihre Finger umklammerten den Stiel des Metallhammers. Sie zog ihn in dem Moment heraus, da sie die Tür zur Gästetoilette erreichten.
    »So, hier können Sie sich erleichtern, ich koche uns …«
    Frau Ostrowski drehte sich um, sah den erhobenen Hammer, und endlich brach der Redeschwall ab. Ihr Gesichtsausdruck wurde dämlich. Weit davon entfernt, irgendwas zu verstehen, stand sie einfach nur da und wartete. Die flache Seite des Hammers klatschte gegen ihre Stirn. Schwungvoll geführt traf er sie ein wenig über der Schläfe. Haut platzte auf, Blut spritzte. Die alte Frau torkelte gegen die Toilettentür, verdrehte die Augen und rutschte zu Boden. Auf dem Hintern sitzend kippte sie gegen den Rahmen der Tür.
    Ellie beugte sich über sie. Auf den kräftigen Blutstrom achtend, nahm sie das Handgelenk und fühlte. Ja, der Puls schlug noch, wenn auch schwach. Trotzdem verzichtete sie darauf, den Hammer noch einmal zu schwingen. Der Blutverlust würde die alte Dame ohnehin töten. Stattdessen zog Ellie sie von der Tür weg und lehnte sie gegen die Wand des Flurs. Während sie dann ihre Blase entleerte, betrachtete sie Frau Ostrowski. Der Blutstrom aus der hässlichen Wunde wollte nicht versiegen, tränkte schon die weiße, gut gestärkte Bluse. Das Leben verließ nach und nach den alten Körper. Spürte sie Mitleid? Reue? Nein, nichts dergleichen. Bei Mechthild Kreiling war es noch anders gewesen, sie zu töten hatte ihr wirklich leidgetan. Jetzt aber war ihr Ziel zum Greifen nah, die Sehnsucht würde endlich gestillt werden, und schließlich gab es nichts auf der Welt umsonst. Man zahlte immer einen Preis! Edgar und Anna hatten gezahlt,
sie selbst zahlte immer noch, auch durch das, was sie hier tat. Die Notwendigkeit war vorhanden, ihr Tun somit gerechtfertigt, Reue also fehl am Platze.
    Und letztendlich hatte sie das moralische Recht einer betrogenen Mutter auf ihrer Seite. Niemand konnte ihr das absprechen, niemand!
    Als sie sich erleichtert und wieder angezogen hatte, machte sie sich auf den Weg ins Wohnzimmer. Bevor sie den Raum betrat, verbarg sie den mit Blut und Haut behafteten

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