Hänschen klein - Winkelmann, A: Hänschen klein
auf das Flittchen zu. Nach so vielen Jahren war sie nur noch wenige Schritte, wenige Schläge von ihrem Ziel entfernt. Nur dies hier musste noch getan werden, und sie tat es gern. Mitleid war hier fehl am Platze.
»Niemand stellt sich zwischen meinen Jungen und mich!«, rief sie und schwang den Hammer.
Sie hatte erwartet, dass das Mädchen die Arme über den Kopf reißen würde und sie diese Deckung mit einem kräftigen Schlag durchbrechen müsste. Doch nein! Unglaublich flink kam es auf die Beine, wich nach hinten aus und drückte sich an der sperrigen Couch vorbei. Als Fluchtversuch war das armselig, manövrierte das Flittchen sich doch nur noch weiter in die Falle, tiefer in die Wohnung, aus der
es nur einen Ausgang gab. Um dorthin zu gelangen, musste es an ihr vorbei, und das würde Ellie verhindern.
Ohne das Mädchen aus den Augen zu lassen, schob sie mit ihren Oberschenkeln die Couch Stück für Stück beiseite.
»Was wollen Sie?«, schrie das Flittchen.
Deutlich waren Angst und Panik in seiner Stimme zu hören. Seine Augen flogen hin und her, suchten nach einem Ausweg. Es war nicht vor Angst gelähmt, leider, also musste Ellie aufpassen. Diesem jungen Ding war vielleicht nicht so leicht beizukommen wie den Ostrowskis.
Ellie schwang den Hammer. Sie konnte das Mädchen nicht erreichen, wollte es aber in eine bestimmte Richtung drängen. Vor dem nächsten Schlag, der schon dichter herankam, versuchte es, sich mit einem Sprung nach links in Sicherheit zu bringen. Da schob Ellie mit einem kräftigen Stoß ihrer Hüften die Couch nach vorn, brachte das Flittchen ins Straucheln, sodass es mit der Hüfte gegen den Tisch knallte und aufschrie. Ellie setzte rasch nach. Der nächste Schlag mit dem Hammer traf es oben am Rücken. Ein dumpfer Laut, es ging zu Boden. Jetzt war es angeschlagen! Nicht nachlassen, nachsetzen, die Sache zu Ende bringen.
Doch plötzlich begann das Mädchen auszutreten wie ein wild gewordener Gaul. Es hatte lange Beine, und die Tritte trafen Ellie am Schienbein. Heißer Schmerz schoss hinauf bis in ihren Kopf. Ellie kassierte noch einen Tritt, ehe sie sich nach hinten taumelnd in Sicherheit brachte. Wie konnte das Miststück nach einem Treffer am Rücken noch so agil sein?
Jetzt bekam es ein bisschen Raum, nutzte seine Chance und flüchtete ins Schlafzimmer. Knallte die Tür hinter sich
zu und drehte den Schüssel herum. Sollte es ruhig. Der Raum war eine Falle. Ellie folgte ihm und warf sich wuchtig gegen die Tür. Das dünne Holz erzitterte unter ihrem Gewicht. Drinnen begann das Mädchen zu schreien; laut und gellend. Wieder war das nicht gut, gar nicht gut! Diese Schreie würden Nachbarn oder Passanten aufmerksam werden lassen. Sie musste das Flittchen zum Schweigen bringen, bevor alles verloren war. Sie durfte hier nicht versagen! Es ging um Hans, um ihren Jungen! Großer Gott, sie konnte doch nicht zulassen, dass sich abermals …
In Ellies Kopf schien etwas zu platzen, und ihre Gedanken wurden in rote Flüssigkeit getaucht. Sie wollte nur noch in dieses Zimmer, um jeden Preis. Sie ging zurück, nahm Anlauf, warf sich gegen die Tür. Die Erschütterung spürte sie bis in die Zahnwurzeln, pochenden Schmerz in der Schulter obendrein. Aber es war egal. Sie musste hinein. Nahm wieder Anlauf, noch einmal mit Wucht und Gewicht, alles in diesen Angriff legend.
Da! Das Schloss barst aus dem Holz, die Tür schwang nach innen.
Das Mädchen stand in der linken Ecke und hielt einen langen, metallenen Kleiderständer in beiden Händen, die oberen Haken wiesen in Ellies Richtung. Eine armselige Waffe!
»Lass mich in Ruhe, hau ab!«, schrie es. »Hilfe, Hilfe, Polizei!«
Wie Messer in ihren Ohren schmerzten die schrillen Schreie. Ellie wurde klar, dass sie keine Zeit mehr hatte. In wenigen Minuten würde irgendjemand die Polizei alarmieren. Sie holte aus, legte alle Wut in den Schlag gegen den Kleiderständer. Durch die Wucht taumelte das Mädchen nach links, ließ aber seine provisorische Waffe nicht fallen,
klammerte sich daran, als könnte sie sein Leben retten. Ellie griff mit der freien linken Hand danach, erwischte einen Haken und packte fest zu. Ein kräftiger Ruck genügte, um das Mädchen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Es wurde nach vorn gerissen und ließ nun doch den Kleiderständer los. Schreiend und kreischend sprang es zum Bett hinüber und warf sich auf die Matratze, wollte darüberkrabbeln, um zur Tür zu kommen. Aber es bewegte sich langsam, so als hätte der Schlag in den
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