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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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hattest einen Bandscheibenvorfall und ich kann das Cook & Chill nicht alleine führen.“
    Julius brummelt Unverständliches und verlagert sein Gewicht auf die andere Pobacke. „Dann lass mich die Lusche selbst aussuchen, die mich in den Wahnsinn treiben wird“, knurrt er missmutig.
    „Abgemacht. Und ... Julius?“
    „Hä?“
    „Nimm bitte ein Bad.“
    „Dieser Koch im Fernsehen hat so ein köstliches Eisdings gezaubert, ein ... ich habe den Namen vergessen ...“
    Entgeistert schaue ich in Roúlas entzückte Miene. Dieser dänische John Wayne verfolgt mich bis in meinen eigenen Kurs!
    „Ein Semifreddo“, antworte ich lahm.
    „Genau, ein Semifreddo! Können wir ...?“
    „Bestimmt nicht!“
    Enttäuscht lässt Roúla die Schultern sinken und mein harscher Tonfall tut mir auf der Stelle leid.
    „Das ist ein viel zu schwieriges Gericht für eine Anfängerin.“
    „Ach so.“
    Jetzt fühle ich mich wie ein Tyrann.
    „Ich kann das Parfait doch mit ihr machen!“ Julia blinzelt entschuldigend. Sofort hebt die alte Frau hoffnungsvoll das Kinn, während Henry sich schnaubend ihren Kartoffeln zuwendet.
    „Die Oma hat sowieso alles in fünf Minuten vergessen“, tönt es aus Vidas Ecke und Lukas keckert artig los. Friedrich rührt eifrig in seiner Schüssel, ohne aufzusehen, und Johannes presst sein Telefon ans Ohr, mal wieder ganz mit Marieles Babyunpässlichkeiten beschäftigt. Henry hält für einen Sekundenbruchteil inne, ehe der Sparschäler, heftiger als zuvor, über ihre Kartoffel gleitet.
    „Ein bisschen Respekt, junge Frau“, weise ich Vida zurecht, die ihre Augen verdreht.
    Die Stimmung ist an diesem zweiten Kursabend wieder sagenhaft. Entgegen den sommerlichen Temperaturen draußen herrscht tiefste Eiszeit in meiner Küche.
    „Was soll´s. Ich komme mir hier eh vor wie im Tiefkühlschrank.“ Kurzerhand drücke ich Julia die B-Tafel in die Hand. „Schau, ob du im Laden ein Semifreddorezept findest.“
    Einer weiteren Aufforderung bedarf es nicht. Julia hakt die fröhliche Roúla unter, die wohl tatsächlich vergessen hat, worum es eben ging.
    Es ist zum Haare raufen. Meine Küchencrew besteht neuerdings aus lauter Einzelkämpfern. Keiner hilft dem anderen oder verschenkt ein freundliches Lächeln. Stattdessen wabert über den gesenkten Köpfen ein unheilvolles Etwas, das sich mit Aromadämpfen und Kräuterdüften mischt.
    „Versuch es doch mit einer Massage, Linda“, murmelt Johannes und fischt mit der bloßen Hand nach dem gusseisernen Soßentopf. Und lässt auf halber Höhe den Haltegriff los.
    „VORSICHT!“
    Nur haarscharf entkommt er der kochenden Flüssigkeit, die über den Topfrand schwappt, eine Szene, die Julius fürchterlichen Unfall in meiner Erinnerung heraufbeschwört. Johannes rudert mit den Armen und rammt seinen Ellbogen in Friedrichs Seite. Der rutscht mit dem Messer ab, die Klinge verfehlt knapp seine Fingerkuppe.
    „Himmelherrgott Johannes! Schalte gefälligst dein verdammtes Telefon aus, ehe hier ein Unglück passiert!“, brülle ich, woraufhin Johannes erstaunt das Handy sinken lässt. Ausdruckslos glotzt er mich an, während durchdringendes Babygebrüll aus dem Hörer gellt, bindet seine Schürze ab ... und geht hinaus. Bestürzt starre ich ihm hinterher.
    „Johannes! Das hab ich nicht so gemeint!“
    „Was ist in letzter Zeit bloß los mit ihr ?“ Friedrich legt sein Kochmesser beiseite.
    „Was mit MIR los ist?!“ Sofort schießen Tränen in meine Augen, die ich trotzig wegblinzle.
    Friedrich dreht mich behutsam an der Schulter zum Ausgang, und ehe ich mich versehe, kauere ich in der Diele auf der untersten Treppenstufe. Ein Sturzbach rinnt meine Wangen herab und tropft auf meine Schürze. Friedrich verknotet seine Beine zu einer Art Yogaschneidersitz, streichelt unbeholfen meinen Unterarm und murmelt dabei vor sich hin.
    Plötzlich wird mir klar, dass die gruselige Stimmung im Cook & Chill mehr mit mir selbst zu tun hat, als mir bewusst ist. Unversehens stammele ich los.
    „Sascha ... Rechnungen ... kein vernünftiger Aushilfskoch ... verfluchtes Starcooks ... Kriegszustände in dieser Küche ... Felix ... Julius ... keine Ahnung, wie es weitergeht ... und ich bin so verdammt MÜDE!“
    Friedrich mustert mich schweigend, ein verstehendes Lächeln auf den Lippen.
    „Julius? Meinst du ... Julius Zander? Den Sternekoch?“ Henry steht blass und steif im Türrahmen und sieht aus, als habe sie einen Geist gesehen. Hätte nicht gedacht, dass meine Not sie derart

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