Haeppchenweise
bleibt auf dem Teller zurück, seinen Kaffee hat er nicht mal angerührt.
„Das weißt du besser als ich.“ Er drückt im Vorbeigehen einen Kuss auf meine Stirn. „Warte nicht mit dem Essen auf mich.“
„Warum? Bist du später mit Andreas unterwegs?“
Doch ich spreche längst mit einer geschlossenen Tür.
„Willkommen beim Starcooks! Heute führen wir Sie in die Geheimnisse der Dessertküche ein. Hast du dieses herrliche Rhabarber-Semifreddo probiert?“ Mats haut seinem Gehilfen gönnerhaft auf die Schulter, wobei dem fast die Augen aus den Höhlen quellen.
„Chef, das duftet großartig!“
„Schähäf, das düftäht grooßährtig!“, äffe ich Knut nach und ignoriere das verführerische Knistern, als der Löffel in das Parfait sticht. Im Publikum ertönt ein hingerissenes „Hmhmm!“, mein Gaumen zieht sich zusammen. Der Kameramann zoomt zu Knuts Futterluke, in der soeben das Semifreddo verschwindet. Jørgensen blinzelt selbstverliebt in die Kamera, Applaus brandet auf. Der Beikoch murmelt etwas von Vanilleschote und Zitronenaroma, als müsse man Mats daran erinnern, was in sein Dessert hinein gehört.
Angewidert drücke ich die Programmtaste, woraufhin mich das strenge Konterfei von Fernsehpsychologin Kahlmann anfunkelt, die einer schluchzenden Hausfrau die Leviten liest: „Frau Schneider-Haferkamp, das können Sie Ihren Kindern doch nicht antuuun!“ Viel besser!
Fast hätte ich das zaghafte Klopfen an der Bürotür überhört. In Windeseile schiebe ich die Tageszeitung über die beiden angebrochenen Schokoladentafeln.
„Katta? Hier ist ein Herr Eder für dich.“
Mir schwant Übles, als sich ein pickeliger Jüngling an Julia vorbei schiebt: der dritte Bewerber nach zwei Nieten. Der Erste hatte unmögliche Gehaltsvorstellungen und seine Mitbewerberin stand unter bewusstseinserweiternden Substanzen. Julia verdreht die Augen hinter seinem Rücken und steckt ihren Zeigefinger in gespieltem Brechreiz in den Hals. Mein linkes Lid zuckt.
„Ich arrrbeite auf keinen Fall am Wochenende!“
Seine Stimme klingt wie eine Kartoffelreibe. Wenigstens zu einer Begrüßung hätte sich der Grünschnabel herablassen können, bevor er sich um Kopf und Kragen raspelt.
„Guten Tag Herr Eder, schön, Sie zu sehen. Bitte setzen Sie sich.“
Fünf Minuten später verfüge ich über eine umfassende Liste aller Tätigkeiten, zu denen Grünschnabel sich garantiert nicht berufen fühlt. Der beeindruckende Lebenslauf und seine tadellosen Referenzen ändern nichts daran, dass ich ihn nicht ausstehen kann.
„Herr Eder, ich glaube nicht, dass wir ...“ Die Türscharniere quietschen, ich schaue gereizt von meinen Unterlagen auf. „Ich sagte doch, ich will nicht gestö ...“
Wahuuuuuuuuu!
Hund schießt wie ein kläffender Torpedo unter dem Schreibtisch hervor und springt außer sich vor Begeisterung an einem Paar Hosenbeinen hoch, das mir sehr bekannt vorkommt.
„Was zum Teufel geht hier vor?!“
Instinktiv senke ich den Blick. Hund wirft sich auf den Rücken und paddelt mit den Pfoten in der Luft. Wenigstens einer, der sich freut.
„Hallo Julius.“
Julius beachtet weder seinen haarigen Kumpel, noch meine zerknirschte Wenigkeit, sondern wendet sich, ebenfalls grußlos, an den Jungkoch, der ihn mit offenem Mund anglotzt.
„Ich kenn´ Sie doch! Sind Sie nicht der Sternekoch, der mal n´ Penner war?“
„Die Stelle ist vergeben!“, bellt Julius.
„Ja, aber ... ist die da nicht die Chefin?“
Ich lächle freundlich und zucke die Achseln. Offensichtlich nicht.
„Raus hier!“
Grünschnabel wirft mir einen fragenden Blick zu und erhebt sich zögernd.
„Julius, das kann man auch höflich ...“
„RAUS!“
Ich schließe resigniert die Lider und öffne sie erst, nachdem ein eindeutiges Schließgeräusch den Jungkoch an die frische Luft komplimentiert hat.
Julius steht so nah an meinem Schreibtisch, dass die Tischkante eine Delle in seine Oberschenkel drückt. Er schnauft wie eine Dampflok und dünstet eine Bierfahne aus, die sich mit dem Geruch nach Männerschweiß mischt.
„Haben sie dich entlassen oder rausgeworfen?“
„Sag mir gefälligst ins Gesicht, wenn du meine Dienste nicht mehr benötigst!“ Julius sinkt schwerfällig auf den leeren Besucherstuhl. Eine Weile spielen wir stumm „wer schaut zuerst weg“. Ich gewinne, denn sein Blick driftet zu dem Stapel Bewerbungsmappen.
„Natürlich brauche ich dich. Es wäre gastronomischer Selbstmord, auf dich zu verzichten. Aber du
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