Haeppchenweise
in der die gehörlose Martha Lehner die Düfte der Welt in kleinen Schraubgläsern eingefangen hat. Für alle, die selbst den Kochlöffel in die Hand nehmen wollen, bietet sich Gelegenheit, an zwei Abenden in der Woche an einem Kochseminar teilzunehmen, das die Inhaberin selbst leitet.
Cook & Chill. Jeder, der mehr als nur gut essen möchte, sollte sich diesen Namen merken - oder gleich im Kochbuchladen Platz nehmen. Denn es ist tatsächlich, als kehre man bei Freunden ein: Zu einem liebevoll gekochten Essen, herrlich duftendem Kaffee und einem Plausch mit außergewöhnlichen Menschen – bei einer Gastgeberin, der etwas an ihren Gästen liegt.
(G. Falk)
Eins, zwei, Kuckuck!
Shunpei Minzou führte Jahre lang einen Sushi-Imbiss in unserer Straße. Ich erinnere mich gut an sein erleuchtetes Lächeln und die Nebelschwaden in der schuhkartongroßen Garküche – eine Nebensächlichkeit, die jeder in Kauf nahm, der einen der begehrten Hocker ertastete. Minzous Sushikreationen und seine Udon-Nudelsuppe waren klaustrophobische Anfälle wert. Sein Laden verschwand vor Kurzem von der Bildfläche. Dort, wo das alte Ladenschild in den Angeln schaukelte, prangt heute der Schriftzug des Starcooks.
Im Café Ludwig in der Ehrenstraße herrscht reger Betrieb. Die Frühstückszeit ist fast vorbei und die ersten Mittagsgäste besetzen die frei gewordenen Plätze. Friedrich ergatterte den letzten und unbeliebtesten Tisch im Wintergarten, sodass ich leider meinen Sitzplatz mit den vorwitzigen Zweigen einer Hanfpalme teilen muss, die mich entweder in den Nacken piekst oder mir die Sicht verwehrt.
Friedrich angelt die Frühstückskarte aus dem Ständer und blättert darin herum. Julia stützt den Kopf in die Hände und betrachtet niedergeschlagen das Liebespärchen am Nebentisch.
„Ich habe überhaupt keinen Hunger“, wispert sie.
„Ein voller Magen wirkt Wunder gegen Kummer, also keine Widerrede, Süße. Himmel, müssen die öffentlich herumknutschen? Haben die kein Zuhause?!“
Ich bewundere Julias stoische Ruhe. Beim Gedanken an Japan hege ich wilde Fantasien von sexy Geishas mit Flatterwimpern, die meinen unbeschlagenen Sascha mit Makirollen füttern und Sake aus seinem Bauchnabel trinken. Aber das ist mein persönliches Problem, mit dem ich Julia keinesfalls behelligen werde.
„Ein Semester geht rum wie nix. Ich überhäufe dich mit Arbeit und schwupps, zeigt uns dein Liebster, wie man echtes Sushi macht“, sage ich eine Spur zu fröhlich und breche einem besonders zutraulichen Palmwedel das Genick. Nach Saschas Verabschiedung auf dem Flughafen ist mir zwar auch der Appetit vergangen, aber was will man tun. Reisende soll man nicht aufhalten.
„Du warst wirklich enorm tapfer!“
Unauffällig stecke ich den abgebrochenen Zweig in die Pflanzerde zurück. Ich verrate nicht, dass ich nur deshalb zu spät in die Abfertigungshalle kam, weil ich mir eine Viertelstunde lang in der Flughafentoilette die Augen ausgeheult habe.
„Erfahren wir jetzt, auf welch geheimnisvollen Gast wir warten?“, frage ich gereizt.
Der Anruf meines Lieblingsschülers war früh am Morgen gekommen. Reichlich kurz angebunden und ohne nähere Erklärung befehligte er Julia und mich zu diesem Stelldichein, bei dem wir angeblich die Lösung meiner Personalsorgen treffen sollen. Friedrich schmunzelt.
„Er ist schon da.“
„Er wer?“ Julia spielt gedankenverloren mit dem Salzstreuer herum. Prompt löst sich der Deckel und ein Häuflein Salz ergießt sich auf die Tischplatte.
Friedrich deutet mit dem Kinn zum Eingang. Ich muss zweimal hinsehen, ehe ich den Japaner erkenne. Minzou hat deutlich abgenommen, seit ich ihn das letzte Mal in seinem Imbiss stehen sah, und das Buddhalächeln ist ihm abhandengekommen. Sein Gang wirkt steif, während er unseren Tisch ansteuert, als bereite es ihm Mühe, die Knie beim Gehen durchzudrücken. Nach einer angedeuteten Verbeugung setzt er sich mit unbewegter Miene auf den freien Stuhl. Julia und ich tauschen einen Blick.
„Was macht der denn hier?“, wispere ich.
„Abwarten“, lächelt Friedrich und winkt der Bedienung.
Eine halbe Stunde später begrabe ich den Gedanken, Minzou nach seinem Suppenrezept zu fragen, denn seit seiner Ankunft führt der Japaner Selbstgespräche und schlürft gerade die dritte Cola in sich hinein. Julia tupft die Salzkörner vom Tisch und nuckelt gedankenverloren an ihrem Finger, Friedrich pfeift vor sich hin. Mir ist schleierhaft, welches Ziel dieses
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