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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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mit Todesverachtung im Gesicht eine Hand entgegenstreckte.
    Doch das Schicksal ließ es sich nicht nehmen, den Abend in einer Karamellkatastrophe enden zu lassen, die sich auf Roúlas Handrücken in Form von Verbrennungen zweiten Grades abspielte und mit dem Notarztwagen endete.
    „Dabei habe ich sie mehrmals gewarnt, den Finger nicht in den Topf zu stecken!“
    Noch jetzt fühle ich den tödlichen Blick, den mir Melitta Dukakis zugeworfen hat, als sie unser zerknirschtes Grüppchen in der Ambulanz antraf. Leider lenkte unsere Anteilnahme nicht von dem riesigen Verband ab, den Roúla mit leuchtenden Augen in die Höhe reckte. Melitta nahm ihre Mutter wortlos am Arm und gönnte ihr nicht mal ein Abschiedswort.
    „Du musst dir abgewöhnen, „Hier!“zu brüllen, wenn der liebe Gott die Arschkarte des Monats verteilt“, gluckst Britta. Ihre Hand zittert, als sie sich von dem Merlot nachschenkt. „Vielleicht solltest du einen Ratgeber schreiben: Die größten Irrtümer der Existenzgründung. Wäre garantiert ein Bestseller.“
    „Sehr witzig“, murre ich und trinke mein Glas aus. Britta stürzt sich begeistert auf das unangetastete Mahl meiner Kochschüler, die sich – ich gebe es gerne zu – selbst übertroffen haben.
    „Normalerweise esse ich dieses fette Zeug ja nicht, aber das da ist wunderbar!“, kaut sie und spült die krossen Blutwurstscheibchen mit einem Schluck Rotwein herunter. Mir verging der Appetit vor einiger Zeit. Genau gesagt, vor vier Tagen, neunzehn Stunden und siebenundzwanzig Minuten. Seit Felix sämtliche meiner Körperteile in seinen Koffer gepackt hat, die ich zum Atmen, Essen und zum Fühlen benötige. Britta hält inne und schaut mich mitfühlend an.
    „Dir geht es gar nicht gut.“
    Ich schüttle den Kopf. Sie kneift ein Auge zusammen. Ich nicke ergeben.
    „Warum hast du ihn dann gehen lassen?“
    „Er war mindestens doppelt so wütend wie ich.“
    „Das soll was heißen.“
    „Bevor ich einen vernünftigen Satz herausbrachte, hielt er schon seinen Rollkoffer in der Hand. Den Ficus hat er auch gleich mitgenommen.“
    „Das Riesending? Hat er denn gar nichts gesagt?“
    Ich befürchtete diese Frage.
    „Doch.“
    „Und was?“
    Ich schnuppere an meinem Weinglas und schließe die Augen.
    „Keine Ahnung. Mein Kopf lag unter drei Kissen vergraben.“
    „Dir ist wirklich nicht zu helfen“, stöhnt Britta.
    Irgendwie höre ich das in letzter Zeit andauernd.
     
    Wenige Tage später erhalte ich ungebetenen Besuch. Mein Gast macht sich nicht die Mühe, anzuklopfen, sondern schreitet in Staatsanwaltsmanier in mein Büro und setzt sich. Unaufgefordert.
    „Sie können sich ja denken, weshalb ich hier bin!“
    Melitta Dukakis wäre sogar hübsch – mit ihren langen, schwarzen Haaren und dem makellosen Teint ein klassischer Schneewittchentyp – wenn sie nicht so verbissen die Lippen zusammenpressen würde und irgendetwas Liebenswürdiges in ihrem Blick läge. So, wie sie da sitzt, steif und streng, sichtlich um Fassung ringend, wirkt sie schlichtweg unangenehm.
    Eine Visite von Gerichtsvollzieher Riemschneid wäre mir lieber, aber der ist bereits am frühen Morgen im Laden aufgetaucht und hat eine Menge Aufkleber dagelassen, die er unter anderem auf meinen de Longhi Kaffeevollautomaten und den nagelneuen Geschirrspüler gepappt hat. Offenbar hatte Johannes nicht bei all meinen Gläubigern ein gutes Wort einlegen können.
    „Möchten Sie einen Kaffee?“
    Kopfschütteln.
    „Vielleicht einen Tee? Wasser, Limonade ... Prosecco?“
    Sie mustert mich aus schmalen Augen. Okay, also nicht.
    „Es geht um meine Mutter. Sotiria Dukakis“, sagt sie hölzern und so, als ob ich nicht wüsste, wer ihre Mutter ist.
    „Ich hoffe, die Verbrennung verheilt gut. Es wäre schade, Roúla missen zu müssen.“
    Melittas Miene drückt unmissverständlich aus, dass sie mit mehr Schuldgefühlen meinerseits gerechnet hätte.
    „Wie Ihnen bestimmt aufgefallen ist, ist meine Mutter ... schwierig.“
    „Sind wir das nicht alle?“ Ich lächle freundlich.
    „Das meinte ich nicht. Sie leidet an fortschreitender Demenz. Der gestrige Vorfall ist für unsere Familie ein Warnsignal. Offenbar ist sie im Cook & Chill nicht so gut aufgehoben, wie wir uns erhofft haben.“
    „Sieht Roúla das auch so?“
    „Ich glaube nicht, dass Mammá das beurteilen kann.“
    „Frau Dukakis. Verbrennungen sind ein harmloses Übel, das allen Köchen ab und an widerfährt. Ich selbst kann die Brandnarben von Herdplatten oder

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