Haeppchenweise
Beeilen Sie sich lieber, das Mädchen sah nicht gut aus. Wahrscheinlich reihert sie gerade wie ne Schwangere in die Kloschüssel, he he.“
Okay. So viel Hilfe wollte ich dann auch nicht. Zu meiner Erleichterung steuert Felix eilig die Toilettenhäuschen hinter dem Biergarten an.
„Die Luft ist rein!“ Mein dunkelhäutiger Retter sinkt in die Hocke und zwinkert mir zu, zwei Bierkrüge in der Linken, auf dem rechten Handteller zwei Schnäpse balancierend. „War das die miese Schwuchtel?“ Sein Kinn deutet in die Richtung, in die Felix verschwunden ist.
Eine winzige Sekunde überlege ich, zu nicken. Nur so zum Spaß, um herauszufinden, was passiert. Leider schubst der Flattermann seinen Teufelskollegen von meiner Schulter und fiedelt so lange auf der Vergebungsgeige, bis ich mich zu der korrekten Antwort durchringe. „Nein … ist er nicht.“
„Wollt ihr weiter im Kies rumkriechen? Oder habt ihr einen Tisch?“
„Och, ich find´s hier eigentlich ganz gemütlich ...“ Britta mustert interessiert seine braunen Wadenmuskeln.
„Wir sitzen da vorne, unter dem Kastanienbaum“, erwidere ich rasch und zerre meine protestierende Freundin aus unserem Unterschlupf. Nehme meinem dunkelhäutigen Sponsor die Getränke ab, hauche ein „Dankeschön“ in sein belustigtes Gesicht und ergreife die Flucht, Britta im Schlepptau.
„Hallo, was darf es sein?“
Das angeregte Geplauder an unserem Tisch verstummt schlagartig. Eine menschgewordene Barbie zückt ihr Kellnerblöckchen und entblößt eine Zahnreihe, um die sich jeder Zahnpastahersteller reißen würde. Lukas quellen die Augäpfel heraus, sogar der steife Johannes wirkt kurzzeitig aus dem Konzept. Ehrlicherweise starre ich ebenfalls auf ihren Mund, wenn auch aus einem völlig anderen Grund.
„Ist die Haarfarbe echt?“ Britta betrachtet neidisch die honigblonden Föhnwellen der Kellnerin. Barbies Lachen perlt wie Champagner und klingt verrucht genug, damit man sie nicht für ein blödes Huhn hält. Schlimmstenfalls gehört sie zu der Sorte Frau, die nach Go-go-Tänzerin aussieht, in Wirklichkeit aber zum Doktor der Informatik promoviert.
„Der Lippenstift steht Ihnen ausgezeichnet. Wie nennt man diese ungewöhnliche Farbe?“, säusle ich und kneife mangels Halt unter der Tischplatte in ein daumendickes Studenten-Hüftröllchen. Lukas gibt ein Quietschen von sich, das Vida mit einem besorgten Rückenklopfen quittiert.
„Ich glaube, es heißt `Violanights´. Eigentlich trage ich so auffällige Töne eher selten. Aber meine Tochter hat mir den Lippenstift geschenkt.“ Sie lächelt zurückhaltend. „Wollen Sie nun bestellen?“
Der schlimmste Fall ist eingetreten: Barbie ist nett. Und Mutter, was sie zu so was wie einer Heiligen macht.
„Kennen Sie einen Felix Sander?!“, tönt es frech von rechts. Natürlich hat Britta kapiert, wieso mich Barbies Lippenstift derart fasziniert. „Er ist ein gemeinsamer Freund und schwärmte neulich so von einer Kellnerin mit lila Lippen ... schwuppdiwupp, da sind Sie!“
Leider stößt mein Tritt ins Leere, weil meine Freundin in weiser Voraussicht ihre Beine seitwärts gedreht hat. Barbie beäugt meine Freundin mit unbewegter Miene.
„Felix ist Stammgast hier. Grüßen Sie ihn schön. Vor allem aber seinen netten Freund ... Andreas, glaube ich.“
Lukas quiekt wie ein Ferkel, als meine Finger sich erneut in sein Hüftgold krallen. Britta starrt die Blondine sprachlos an.
„Ich möchte ein Radler und den Schweizer Wurstsalat, und Du?!“ Julia rammt ihren Ellbogen in Henrys Rippen. Die fährt zusammen und blättert angestrengt in der Speisekarte. Julias Himmelfahrtsnase zuckt. „Sie hätte gern den Backfisch mit Pommes und einem Extra-Salat!“
„Aber ich mag überhaupt keinen ...“, protestiert Henry. Julia entreißt ihr die Karte.
„Egal! Dann isst Friedrich eben deinen Fisch! Johannes?! Roúla?!“
Sie schielt verzweifelt zu Frau Sozialpädagogin, die soeben Luft holt, um irgendwelche Gemeinheiten auszuspeien. Ich hebe eine Achsel. Brittas Jähzorn ist mir seit dem Kindergarten vertraut. Nur, dass sie heute mit Wörtern statt Legosteinen um sich wirft. Ich zähle stumm bis zehn.
„Haben Sie falschen Hasen?“, fragt meine Freundin unschuldig.
„Der Hackbraten ist her-vor-ragend! Finden jedenfalls die Männer.“
Barbies Mundwinkel ziehen sich nach oben, ohne dass ihr Lächeln die Augen erreicht. Ich erhöhe auf zwanzig. Mittlerweile verfolgt jeder gebannt den Schlagabtausch der beiden, Roúla
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