Haeppchenweise
Arme und Beine hoch.
„Hallo Felix! Barbie ist rein gegangen. Wahrscheinlich legt sie noch etwas Lippenstift nach“, flötet Britta und zieht ihre Knie an, sodass mein Tritt gegen ihr Schienbein erneut ins Leere läuft. Hilfsweise starre ich auf meinen Teller und versuche mich daran zu erinnern, gegrillten Lachs bestellt zu haben. Augenblicklich wäre mir eher nach einem Steak. Englisch.
„Wer ist Barbie?“ Seine Verwunderung klingt echt. Mir platzt der Kragen.
„Verlierst du allmählich den Überblick, Herr Sander?“
Da sind wieder die niedlichen Falten über seinen Brauen. Ich zwinge meine Gabel, die Maiskörner einzeln aufzuspießen.
„Katta, sie ist nicht ...“
„Vergiss es!“ Die Metallzinken bohren sich in ein Stück Fisch. Das Filet zerfällt sofort und ich schiebe die Fasern umständlich auf dem Teller hin und her. Auf halbem Weg fällt mir der Bissen von der Gabel. Britta schüttelt den Kopf, unterlässt es aber weise, sich einzumischen. Ich greife trotzig nach meinem Bierkrug.
Eine Minute lang herrscht unangenehmes Schweigen. Ich kaue und schlucke abwechselnd und ignoriere Felix vollkommen.
„Junger Mann, bringen Sie mir noch ein Mineralwasser?“, ruft Roúla arglos und schwenkt ihr leeres Glas. Vida spuckt eine halb zerkaute Tomate aus. Felix Brust wölbt sich, er zieht scharf Luft durch die Zähne – doch die bissige Entgegnung bleibt aus.
„Tut mir leid, gnädige Frau. Ich bin hier offenbar vollkommen falsch.“ Seine Stimme wackelt tatsächlich. „Ich sage meiner Kollegin Bescheid. Leb wohl, Ka-tt-ah. War schön, dich zu sehen.“ Verbeugt sich galant – und geht. Roúla kichert entzückt.
„Das war aber ein freundlicher Kellner!“
„Katta! Das ist nicht dein Ernst!“ Britta boxt mich in die Rippen.
Oh doch, mein voller Ernst. Glaube ich.
„Meine Zehen brennen wie Feuer!“
Mir kam der Heimweg selten so weit vor wie heute. Es ist stockdunkel, wir begegnen keiner Menschenseele auf der Straße - und ich friere erbärmlich. Prompt knicke ich mit meinen viel zu hohen Absätzen um. „Aua!“
„Hast du dir wehgetan?“ Britta beugt sich sofort herunter und untersucht meinen Fuß. „Ich frage mich schon den ganzen Abend, weshalb du in diesen Zickenschlappen durch den Biergarten stakst. Ich dachte, du hättest die High Heels längst dem Roten Kreuz gespendet. Kannst du auftreten?“
„Klar doch, alles tadellos ... Autsch!“ Versuchsweise humple ich einige Schritte und sinke schließlich entkräftet auf die Stufen eines Hauseingangs.
„Vielleicht sollten wir ein Taxi nehmen.“
„Für fünfzig Meter? Der Taxifahrer zeigt dir einen Vogel!“
„Dann trage ich dich eben.“
„Kommt nicht infrage! Die anderen kommen bestimmt bald nach, wenn sie die Karnevalslieder ...“ Ehe ich es mich versehe, baumeln meine Beine in der Luft. „Oh oh oh, lass mich bloß nicht fallen ... ich glaub, mir wird schlecht!“
Kurz vor dem Cook & Chill bleibt Britta schwer atmend stehen. Ich rutsche von ihrem Rücken. Ein brennender Schmerz fährt in meinen Knöchel und meine Knie geben nach. Britta hebt den Kopf und lauscht ins Dunkel.
„Was ist?“, giggele ich, ihre Wade umklammernd. Sobald ich aufhöre, vor Kälte mit den Zähnen zu klappern, frage ich nach, wo sie diese Muskeln herhat ...
„Hörst du das?“
Brittas Augen glänzen wie Untertassen im Mondlicht und verleihen ihrem Gesicht etwas Dämonisches. Heftiges Scheppern und Rumpeln lenkt meine Aufmerksamkeit in den Hinterhof. Meinen Hinterhof, in dem derlei Geräusche nichts zu suchen haben.
„Was ist das?“, wispere ich ängstlich. Britta strafft ihre Brüste.
„Ich geh nachsehen.“
„Bestimmt nur die Katze der Nachbarn. Ich hab das Vieh letzte Woche schon aus der Biotonne gescheucht. Oder ... Ratten!“ Ich fasse nach ihrem Arm.
Glas zerbricht, ein überraschter Ausruf, gefolgt von unterdrücktem Fluchen.
„Klingt aber nach einer ziemlichen großen Ratte.“ Britta lässt ihre Handtasche zu Boden gleiten und schlüpft aus ihrem Anorak.
„Sei nicht albern! Warte, bis Johannes und Friedrich ...“
„Du wartest hier, Katta! Und ruf am besten die Polizei!“ Resolut schraubt Britta ihr Bein aus meiner Umklammerung und marschiert los.
Natürlich warte ich nicht. Wie könnte ich! Ist schließlich mein Hinterhof, der zu meinem Laden gehört. Noch. Unsicher richte ich mich auf, verlagere das Gewicht auf meinen unversehrten Fuß – und humpele mit zusammengebissenen Zähnen hinter Lara Croft her.
Kaum bin
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