Haeppchenweise
von Sicherheit. Die Klappe öffnet sich, Britta rudert mit den Armen, rutscht seitlich weg und verschwindet mit einem spitzen Schrei im Dunkel.
„BRITTA!“
Im selben Moment, als der Mann seinen gedrungenen Körper durch die Ritze zwischen Deckel und Containerrand hievt, flackert die Hoflaterne auf. Mir entfährt ein überraschter Ausruf. Das ist Knut! Jørgensens kleiner, lobhudelnder Schatten!
Julius stolpert aus der Hintertür, in Bademantel und Pantoffeln, einen Fleischklopfer schwingend. Knut nutzt den kurzen Augenblick unserer Irritation: Er schwingt sich aus dem Container hinaus und schubst mich beiseite.
„Katta!“ Britta humpelt auf mich zu. Knut sprintet los, Richtung Hoftor.
Julius lässt sofort seine Waffe fallen und nimmt die Verfolgung auf. Wenige Schritte vor dem schmiedeeisernen Tor holt er Knut ein, mit einem wütenden Schrei stürzen beide Männer zu Boden.
„Aufhören!“
Die Kontrahenten reagieren überhaupt nicht auf mein dünnes Stimmchen, sondern rappeln sich auf, um sich erneut zu einem stöhnenden Knäuel aus Armen und Beinen zu verknoten.
Julius gibt einen Laut von sich, als platze ein Autoreifen, als Knut seine Faust in Julius´ Magen platziert. Der Getroffene schwankt, fängt sich und weicht dem zweiten Hieb mittels einer Seitwärtsdrehung aus. Knut grunzt und wirbelt herum.
Wahllos greift Julius nach umherliegenden Wurfgeschossen. Ein Tetrapack, ein paar Konserven, mehrere Eierkartons fliegen über den Hof. Eine Büchse trifft ihr Ziel. Jørgensens Hilfskoch taumelt, an der Stirn getroffen, Julius ergreift seine Chance. Mit einem kraftvollen Satz wirft er den bulligen Mann auf das Pflaster.
„Hab ihn“, grollt er und drückt Knut den Ellbogen zwischen Hals und Schulter. „Sag meiner Chefin bitte, was genau du hier zu suchen hast.“
„Vorher beiß ich ins Gras, Arschloch!“, knirscht der Angesprochene und gibt ein Wimmern von sich, als Julius das Knie in Knuts Schlüsselbein bohrt.
„Krieche ich in andere Leute Müll herum? Wer ist hier das Arschloch?“ Julius verlagert sein Gewicht, Knut jault auf. „Kannst es auf die harte oder auf die sanfte Tour haben, Kumpel. Ich hab lang genug auf der Straße gelebt und weiß genau, wie man jemanden zum Singen bringt“, lächelt Julius und lässt die Knast-Tätowierung in seiner Armbeuge aufblitzen. Fast ist er sogar mir ein bisschen unheimlich, aber zu meiner Erleichterung erklingt aus der Ferne das Geräusch von Polizeisirenen.
„Underlagn...“, stöhnt Knut.
„Wie bitte? Geht das deutlicher?“ Julius hebt die Faust.
„Dä Chef wollte die Cateringunterlagen aus der Mülltonne!“
Britta greift blitzschnell in Knuts Anorak und hält einen Packen Papiere in die Höhe. Ein gelber Flyerfetzen segelt vor meine Füße.
„Das darf doch nicht wahr sein!“
„Wenn die Polizei mit dir fertig ist, richte deinem Dienstherrn aus, dass er sich die Falsche für seine Spielchen ausgesucht hat. Frau Lehner hat einen guten Freund, der sein erbärmliches, kleines Geheimnis kennt. Ab sofort sorge ich dafür, dass er dahin verschwindet, wo er herkam: auf einen stinkenden Fischkutter in irgendeinem gottverlassenen Fjord.“ Allmählich läuft Knut blau an, während sich Julius´ Stimme zu einem zärtlichen Flüstern senkt. „Hast du das verstanden oder muss ich es auf Dänisch wiederholen?“
Ich stiere auf die befleckten Cateringentwürfe und Rezeptdurchschläge und denke schuldbewusst an den Papierschredder unter meinem Schreibtisch.
„Es reicht, Julius.“ Ich muss mich setzen.
Julius lässt von Knut ab und beugt sich zu mir herunter. „Alles Okay, Mädel?“
„Alles in Ordnung“, nicke ich und schiebe mit der Schuhspitze ein glibberiges Etwas beiseite, das nach verfaultem Fleisch riecht. Julius schielt zur Hofeinfahrt.
„Wenn du nichts dagegen hast ...“ Er zeigt mit dem Finger nach oben, wo Helgas Dauerwellenkopf im Fenster auf und ab hüpft. „Bin nicht sonderlich scharf auf eine Begegnung mit den Herren in Grün ...“
„Ist schon gut, geh rein. Wir kümmern uns um die Polizei.“ Ich klinge mehr als erschöpft. Julius nickt knapp und wendet sich dem Hintereingang zu, nicht ohne einen letzten, verächtlichen Blick auf den in Abfall gebetteten Knut dazulassen.
„Julius?“
„Hm?“
„Danke.“
Julius schiebt das Kinn vor.
„War mir ein besonderes Vergnügen.“
Mit dem Polizeiwagen trifft das Grüppchen karnevalssingender Kochschüler vor der Einfahrt ein. Ich schiele zum dritten Stock hinauf, wo
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