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Haeppchenweise

Haeppchenweise

Titel: Haeppchenweise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia_Winter
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meinem Erstaunen überzieht ein schiefes Lächeln ihre Lippen – dann winkt sie fröhlich mit ihrem Kartoffelschäler ins Bild. Verzeihung, mit meinem Kartoffelschäler.
    Ich neige den Kopf, Julius und meine Kücheneinrichtung geraten in Schieflage. Was um Himmelswillen führen die da im Schilde?
    „Tärähhhtätä !! Wir unterbrechen die Sendung für eine kurze Werbepause!“
    Enttäuschenderweise bleibt Julius mir die Antwort schuldig.
     
    „Hier sind wir wieder, direkt aus der Küche des Kölner Kochbuchladens `Cook & Chill´! Herr Zander, Sie weihen uns nicht nur in das Geheimnis der Herstellung einer perfekten, braunen Soße ein, sondern lassen die Vivo-Zuschauer auch exklusiv an ihrem bewegten Leben teilhaben. Wie ging es für Sie nach dem Krebstod ihrer Frau weiter?“
    „Es ging gar nicht weiter, Mädel. Ich begann, zu trinken. Zu oft und zu viel. Bis ich eines Tages im Kühlhaus aufwachte und in einem Haufen Scheine lag, die blöderweise nicht mir gehörten. Und weil ich nicht zugeben wollte, dass ich keine Ahnung hatte, woher das Geld kam, behauptete ich, ich hätte den Tresor leergeräumt. Ich saß ein und fand es nach dem Knast auf der Straße netter als in einem so genannten bürgerlichen Leben. Mehr war es nicht.“
    „Und Ihre Tochter?!“
    Die Stimme der Moderatorin klingt betroffen und erneut schwenkt die Kamera in Henrys lammfromme Miene. Doch Julius erobert die Aufmerksamkeit des Kameramanns zurück, indem er geräuschvoll in ein schuldloses Küchentuch schnäuzt.
    „Henriette wuchs bei den Eltern meiner verstorbenen Frau auf. Und wie sie sehen, ist auch ohne mich was Anständiges aus ihr geworden. Sie arbeitet nämlich bei der Polizei.“
    Seine schmalzigen Worte bleiben am Bildschirm kleben, während das Aufnahmegerät rücksichtsvoll in Panoramabildmodus wechselt. Respekt, Julius. Die Fernsehzuschauer werden begeistert sein.
    „Und fast zwanzig Jahre später hat Katharina Lehner, die Besitzerin dieses wunderbaren Ladens mein Leben gerettet.“
    Ich glaube, ich falle auf der Stelle tot um.
     
     
    Julia: Cook & Chill, Julia Wagner, Hallo?
    Katta: Julius. Sofort.
    Julia: Bist du das, Katta? Julius kann jetzt nicht telefonieren. Er ist auf
    Sendung.
    Katta: Eben. Ich will ihn sprechen. SOFORT. Oder ich feuere dich
    fristlos!
    Julia: Okay. Ich sag ihm, er soll dich zurückrufen.
    Katta: Nein, ich ...
    Julia hat aufgelegt.
     
     
    Katta: Nicht jetzt!
    Britta: Hast du zufällig den Fernseher an?
    Katta: Musst du nicht irgendeine heulende Klientin trösten?
    Britta: Ich halluziniere also nicht? Das ist echt, was da läuft?
    Katta: Britta, halt einfach die Klappe.
    Britta: Ist dir klar, was diese Show zur Folge haben wird?
    Katta: Knast für ihn wegen übler Nachrede oder für mich, weil ich
    meinen Koch erschossen habe?
    Britta: Das ist die beste Publicity, die du dir wünschen kannst!
    Katta: Ich finde das nicht witzig.
    Britta: Ernsthaft, was hast du zu verlieren?
    Katta: Meinen guten Ruf?
    Britta: Also im Augenblick stehst du wie die Folignos Madonna da.
    Katta: Wie wer?
    Britta: Jedenfalls ist es gut für das Cook & Chill.
    Katta: Tust du mir einen Gefallen?
    Britta: Handfeuerwaffen sind in Krankenhäusern verboten.
    Katta: Bring mir was zum Stricken mit.
    Katta hat aufgelegt.
     
    Das Cook & Chill aus verwackelter Kameraperspektive zu sehen, besitzt etwas Unwirkliches. Ich fühle ein Ziehen in meiner Herz-Magengegend, wie ich es zuletzt vor zwanzig Jahren im Pfadfinderlager gespürt habe, als ich vor Heimweh nicht schlafen konnte.
    Julius spaziert, zwei Teller balancierend, dem Kameramann voraus durch meinen Laden, der aus sämtlichen Nähten zu platzen scheint. Überall drängeln sich Leute, Julia schiebt einen Buggy beiseite und stellt einen Wassernapf auf den Boden. Aus allen Ecken schallt Gelächter herüber, untermalt von Jazzmusik und Gläserklirren, ein Kind hüpft ins Bild. Ein älterer Herr nippt an seiner Kaffeetasse und schließt genießerisch die Augen, während seine Frau in einem Stapel Kochbücher blättert.
    Am Fenstertisch angekommen, setzt Julius im üblichen Sauertopf-Modus die dampfenden Teller vor den Gästen ab. „Sauerbraten mit dreierlei vom Rotkraut und Kartoffelschnee“, leiert er und zwingt den Versuch eines Lächelns zwischen seine Mundfalten. Linda Meininger-Hennemann und ihre Freundinnen verstummen abrupt. Ich fresse einen Besen, wenn der sich jetzt für das Tomatenmassaker entschuldigt!
    Julius mustert die Topffrisur von Lindas Freundin, nickt Linda zu

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