Haeppchenweise
und schielt zum Kinderwagen, in dem Mariele vergnügt vor sich hinbrabbelt. Johannes Gattin erbleicht, als Julius umstandslos das Kind aus seinem Sitz losschnallt und in die Kamera hält.
„Das ist unser jüngster Stammgast!“ Diesmal wirkt sein Wohlwollen echt.
Trotz meiner ausgemachten Kinderallergie muss sogar ich grinsen, als Mariele die Händchen nach dem Objektiv ausstreckt und schließlich glucksend in Julius´ Bart fasst.
Britta hat Recht. Wenn in mir das Bedürfnis übermächtig wird, genau dort bei diesen Menschen an diesem einzigartigen Ort zu sein ... wie mag es dann den Zuschauern am Bildschirm ergehen?
Novela: Vivo TV, Produktionsleitung?
Jørgensen: Welcher Volltrottel kam auf die Idee, den Zander auf Sendung zu lassen?!
Novela: Herr Jørgensen! Mir geht es hervorragend, danke der Nachfrage!
Jørgensen: ...!
Novela: Ja, nicht wahr? Ich war auch ziemlich von den Socken. Wer ahnt schon, dass ein verlotterter Ex-Penner unser Publikum derart begeistert! Das Zuschauertelefon steht nicht still. Aber falls es Sie beruhigt: Kaum war die Kamera abgeschaltet, ist der feine Herr verschwunden. Versenkt wahrscheinlich seinen Charme in einem doppelten Obstbrand.
Jørgensen: ...?
Novela: Tun Sie einfach Ihren Job und ich erledige meinen. Fernsehzuschauer sind wie kleine Kinder. Sie brauchen Spannung, was zum Spielen und Schokolade. Am Schluss zählt nur, dass Sie die Schokolade sind und das Spielzeug fliegt in die Ecke.
Jørgensen: Ich soll Schokolade sein??
Novela: Gehen Sie kochen und ich kümmere mich darum, dass ein Konkurrent weniger um Sie herumschwirrt.
Jørgensen: Sagen Sie bloß, Sie drehen krumme Dinger.
Novela (lauernd): Das überlasse ich lieber anderen. Apropos, sitzt Ziegler noch ein oder muss ich meinen Anwalt auf die Sache ansetzen?
Jørgensen hat aufgelegt.
Genusswelt online
Braune Soße, Kinderlachen und ein trauriges Schicksal –
Geständnisse eines Sternekochs berühren das Fernsehpublikum!
Julius Zander ist kein Mann der großen Worte. Eben deshalb verschwand der Sternekoch nach dem Krebstod seiner Frau von der Bildfläche. Mysteriös sind die Umstände, die den Kochkünstler dazu zwangen, seine fünfjährige Tochter zu verlassen und nach einem Gefängnisaufenthalt ein Leben ohne Wohnsitz auf der Kölner Domplatte zu fristen; noch rätselhafter ist der Tatbestand, aufgrund dessen Julius Zander der Unterschlagung bezichtigt wurde.
Laut seinem damaligen Arbeitgeber ließ Zander sich nie etwas zuschulden kommen und beendete das Arbeitsverhältnis auf eigenen Wunsch. Als „Da Vinci der Kochkunst“ beschrieb der pensionierte Hoteldirektor des Münchner Excelsior seinen Küchenmeister, auf den er bis heute große Stücke halte. Der Ex-Häftling hüllt sich in Schweigen über seine Vergangenheit „Das ist eine kalte Suppe ohne Geschmack“, so Zander auf Nachfrage von Vivo-TV. Er richte den Blick lieber auf die Gegenwart: den Kochbuchladen Cook & Chill.
Eine überraschend sympathische und kompetente Crew öffnete dem Fernsehzuschauer die Tür, die leider schief in den Angeln hängt: Katharina Lehner befindet sich derzeit in der Kölner Universitätsklinik, während ihr Personal um die Existenz des Geschäfts kämpft.
Spätestens nach der aufregenden Sendung, die diesmal nicht nur Kulinarisches bot, sondern vor allem mit Herzblut für das Gastronomiegeschäft auftrumpfte, ist eines gewiss: Wir schalten gerne übernächsten Sonntag ein, um mit Julius Zander und seinen Kochschülern des Cook & Chill zu fiebern, wenn es heißt:
„Starcooks oder Cook & Chill – einer schließt die Ladentür!“
Kölsche Kolacolor
Das Geheimnis einiger berühmter Speisen beruht auf mehr oder weniger kleinen Pannen in der Küche, bei denen Kollege Zufall kräftig mitgemischt hat: Eine Hausfrau reibt ihre rauen Hände mit Lavendelöl ein, knetet Strudelteig und entdeckt einen neuartigen Strudelgeschmack. Ein mittelloser Student packt die Essensreste vom Vortag in eine Hefeteigtasche und schiebt das Ganze in den Ofen. Oder ein englischer Professor lässt versehentlich seinen Pudding anbrennen und die Menschheit erfreut sich fortan an himmlischer Creme brülle. Entschuldigung, brûlée.
„Eine Woche. Noch sieben Tage ... wie soll das gehen?! Oh Mist!“
Ein fürchterlicher Geruch steigt aus ihrem Topf auf. Rasch stellt Vida ihr Colaglas ab und zieht die Soße vom Gasherd. Auf dem Topfboden hat sich eine fingerdicke Kruste gebildet, der
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