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Härtling, Peter

Härtling, Peter

Titel: Härtling, Peter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hölderlin
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die Blätter in seinem Schrank aufbewahrt. Matthisson bat ihn darum.
    Er las die Hymne an den Genius der Kühnheit vor. Matthisson, der offenbar nicht allzu viel Zeit hatte, forderte ihn höflich auf, sogleich zu beginnen. Das gezierte Gehabe des Gastes forderte ihn heraus. Er las rauh, voller Emphase, gegen seinen berühmten Zuhörer: »Wer bist du? wie zur Beute, breitet / Das Unermeßliche sich vor dir aus, / Du Herrlicher!« Kaum hatte er geendet, sprang Matthisson auf, ging die wenigen Schritte auf ihn zu und umarmte ihn. Neuffer und Stäudlin klatschten in die Hände. Er hatte Matthisson wohl falsch eingeschätzt, der war doch der Begeisterung fähig, ließ sich aufwühlen. Welcher Geist! Welche Reinheit! rief Matthisson. Sie sind auf einer steilen Bahn, mein junger Freund. Noch einmal schloß er ihn in die Arme, murmelte, die Zeit dränge zuseinem Bedauern, gern hätte er noch eine weitere Probe gehört. Er verabschiedete sich, in Gedanken wohl schon bei Cotta, wieder der zerstreute, Devotion beanspruchende Hofmann.
    Stäudlin geleitete ihn hinaus.
    Das ist ein Triumph, sagte Neuffer.
    Hölderlin schien es ebenso.
    Der wird dir helfen!
    Ich glaub’s auch.
    Matthisson rührte keine Hand.
    Hier nun, bei Stäudlin, in der ihm lieben Umgebung, las Hölderlin unbeschwert.
    Das kann groß werden, fand Stäudlin.
    Es ist besser, bat Hölderlin, nicht weiter über den »Hyperion« zu reden. Ich bin noch nicht weit genug.
    Also warten wir ab.
    Sie gingen spazieren. Charlotte und Christiane nahmen ihn in die Mitte, hakten sich bei ihm ein, fragten ihn nach der Schwester, der Rike. Sie hätten gehört, sie werde sich demnächst verheiraten.
    Ja, schon die nächste Woche. Und denken Sie, ich habe mich malen lassen.
    Von wem denn?
    Von Hiemer.
    Das ist eine gute Wahl.
    Nicht wahr? Das Bild will ich ihr schenken.
    Und Sie, fragte Christiane, können Sie uns denn nichts von einer Liebsten erzählen?
    Von zahllosen, Mademoiselle.
    Sie drückte seinen Arm.
    Die ich mir einbilde, das genügt mir.
    Sie verspotten uns.
    Aber nein. Ich huldige Ihnen, merken Sie es nicht?
    Sie behandelten ihn mit liebevoller Nachsicht, da sie von Neuffer erfahren hatten, daß Hölderlin neuerdings wieder sehr unter Kopfschmerzen litt.
    Davon merkten sie nichts. Er war heiter, beweglich und aufmerksam. Noch nach Jahren erinnerten sich die Stäudlin-Mädchen an die »herrliche Erscheinung des jugendlichen Hölderlin«.
    Können Sie uns, fragte Christiane, nicht einmal Ihre Rike vorführen?
    Vorführen, liebes Fräulein, wird sie sich nicht lassen und ihr Vorführer kann ich nicht sein. Das muß ich dem Herrn Breunlin überlassen.
    Breunlin kannte er flüchtig. Er entsann sich eines Besuches der Blaubeurener Professoren in Maulbronn, und unter denen hatte sich Breunlin befunden. Er war ihm aufgefallen, weil er, trocken und gewissenhaft, ungleich mehr gefragt hatte als seine Begleitung. Den Korinthenscheißer möcht i net zum Lehrer han, hatte damals Bilfinger gesagt.
    Jetzt sollte der sein Schwager werden.
    An der Verlobung hatte er, zum Ärger Johannas, nicht teilnehmen wollen, Arbeiten für Prüfungen vorgeschützt, die Hochzeit aber war auf seine und Breunlins Herbstferien gelegt worden. Er hatte sich überlegt, was er Rike schenken könne und war, als Hiemer, der Maulbronner Kumpan, ihn im Stift besuchte, eben auf die Idee gekommen, sich von ihm malen zu lassen. Er saß ihm ein paar Mal in Tübingen und in Stuttgart.
    Es ist wohl das bekannteste Porträt von ihm. Es zeigt den Dreiundzwanzigjährigen so, wie ihn die Stäudlin-Mädchen gekannt haben: einen sorgfältig gekleideten jungenHerrn, den Kragen des Hemds bis zum Jabot geöffnet, auch die Weste nicht ganz geschlossen, das glatte, nackenlange Haar sorgfältig gepudert. Die Stirn ist jedoch die von allen Bildern, selbst den späten: sehr hoch und die Augenpartie eigentümlich mit einbeziehend. Ein Gesicht von geradezu herausfordernder Klarheit.
    Er hatte Hiemer gebeten, das Gemälde »Zu Magister Hölderlins Händen« gleich nach Nürtingen zu senden.
    Dort, in seiner einstigen Stube, sah er es zum ersten Mal. Er fand sich getroffen.
    Zur Hochzeit versammelte sich das vertraute Personal. Neben Verwandten Breunlins und den eigenen aus Löchgau und Markgröningen waren es Kraz, Köstlin und Klemm, die Geister seiner Kindheit. Klemm sollte Heinrike und Breunlin in der Stadtkirche trauen.
    Die Aufregung erfaßte mehr oder weniger die ganze Stadt. Die junge Gok heiratet! Jeder nahm Anteil. Die

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