Häschen in der Grube: Roman (German Edition)
störte selten jemanden. Aber seit sie mit Emma befreundet war, hatte sich alles verändert. Eine plötzliche Wildheit, die sie wohl in sich hatte, verschaffte sich Ausdruck. Wie sie sich bewegte, wie sie manchmal den Rücken streckte und eine andere wurde, stolz und selbstsicher. Gisela konnte nicht richtig erklären, warum diese neue Körperhaltung sie störte, sie ermahnte Julia schließlich selbst ständig, den Rücken zu strecken. Was meistens den gegenteiligen Effekt zu haben schien, denn Julia ließ jedes Mal die Schultern ein bisschen mehr hängen. Julias stolze Haltung war einfach nicht Julia . Zumindest nicht die, die Gisela kannte.
Diese körperliche Selbstsicherheit verband sie eher mit Emma. Vielleicht wollte Julia so sein wie Emma, die kam immer außer Atem angelaufen, verschwitzt und mit fliegenden, zerzausten Haaren.
Genau wie ihre Mutter Annika, die schien es auch immer eilig zu haben, auch bei ihr hingen die langen Haare offen über den Rücken.
Gisela konnte Annika nicht ausstehen, das sahen alle außer Annika. Oder vielleicht wusste sie es und ließ sich nichts anmerken.
Annika hatte zu fast allem eine Meinung. Und sie brachte sie mit einer dunklen Stimme vor, die man nicht überhören konnte. Annika umarmte sie immer, wenn sie sich zufällig in der Stadt trafen. Oder wie neulich, als sie sich vor dem Elternabend auf dem Schulhof begegneten.
»Hallo Gisela! Hallo Julia«, rief Annika laut, als sie die beiden bemerkte. »Wie nett, euch zu sehen!«
Gisela grüßte kühl zurück und begab sich dann eilig ins Klassenzimmer, wo die meisten Eltern schon Platz genommen hatten.
Annika schien Giselas reservierten Tonfall nicht zu bemerken, sie lächelte breit, und die anderen Eltern, die vorbeikamen, lächelten auch. Sie war keine klassische Schönheit, aber sie hatte zweifellos Ausstrahlung, auch wenn Gisela fand, dass sie schlampig aussah in ihrer engen Jeans und der abgewetzten Lederjacke. Als ob sie jünger aussehen wollte als dreiunddreißig Jahre.
Die ganze Klasse drängte sich mit den Eltern an den engen Pulten, als die Klassenlehrerin Lillemor sie begrüßte.
»Wie schön, dass so viele gekommen sind. Wie ihr alle wisst, sind wir zusammengekommen, weil wir besprechen wollen, wie wir das Geld für die Klassenfahrt zusammenbekommen. Sie ist als eine Art Abschluss am Ende der siebten Klasse gedacht. Letztes Jahr ist die siebte Klasse nach Stockholm gefahren, sie haben in einer netten Jugendherberge mitten in der Stadt gewohnt und viel gesehen.«
Magnus’ Mutter schlug vor, alle sollten Kuchen und Kekse backen, die man dann samstags auf dem Markt verkaufen könnte.
Peters Vater, Jan Lundgård, ein gut gebauter Mann, dessen Attraktivität nicht geringer wurde durch die Tatsache, dass er Chirurg am Kreiskrankenhaus war, räusperte sich, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
»Ich wollte fragen, ob wir es uns nicht ausnahmsweise ein bisschen einfacher machen könnten …?« Er ließ die Frage in der Luft hängen und schaute in die Runde, gewohnt, dass man zuhörte, wenn er etwas sagte.
»Könnten wir nicht einfach die fünfhundert Kronen bezahlen, das würde uns jede Menge Arbeit ersparen?«
Die anderen Eltern lächelten und nickten. Alle außer Annika, sie starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. Dann meldete sie sich mit ihrer tiefen und selbstsicheren Stimme.
»Das finde ich überhaupt keine gute Idee. Janne, du weißt genauso gut wie ich, dass einige Eltern Probleme haben, so viel Geld aufzubringen. Ich würde vorschlagen, dass die Kinder das Geld für die Reise selbst verdienen. Sie sollen backen oder eine Disco veranstalten oder sonst was. Ich bin gerne behilflich.«
Das war mal wieder typisch Annika, dachte Gisela, nicht nur, dass sie ausgerechnet Jan Lundgård widersprach, sondern ihn auch noch Janne nannte. Als ob sie Freunde wären. Giselas Augen wurden schmal, als sie zu Annika hinüberschaute.
Jan schaute erstaunt und etwas verwirrt, Gisela versuchte, ihm einen verschwörerischen Blick zuzuwerfen, aber er blickte verlegen nach unten. Nun reichte es, fand Gisela. Jemand musste Jan Lundgård unterstützen! Es war beileibe nicht ihre Art, sich beim Elternabend zu Wort zu melden, aber nun war wirklich Handeln gefragt.
Trotz der errötenden Wangen brachte sie die Kraft für ein kleines Räuspern auf. Ihre Stimme zitterte, als sie sagte, dass sie als Mutter fand, dass die Kinder schon genug mit ihren Schularbeiten zu tun hätten.
»Sie sollten nicht auch noch Zeit für Arbeiten außerhalb
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