Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
schreibst für den Lokalteil und nicht für ein Satiremagazin.
»Einmal Nudel-Tomatenauflauf und ein Weizen!«
Dankbar schiebt sie die Schreibutensilien beiseite, lehnt sich in der Sitzbank zurück und nimmt einen kräftigen Schluck von dem Bier. Als sie zum Besteck greift, hört sie ganz in der Nähe eine bekannte Stimme. Das ist doch Heike, denkt sie. Unverkennbar die Stimme ihrer alten Schulfreundin, die im Sekretariat der Storm-Gesellschaft arbeitet. Die andere Stimme, mit der sie sich unterhält, ist von einem Mann. Auch diese meint sie zu kennen.
Maria Teske schneidet ein Stück überbackene Nudeln aus dem Auflauf, spießt es mit der Gabel auf und führt es zum Mund. Sie sitzt auf ihrem gemütlichen Stammplatz im ›Historischen Braukeller‹. Ihre Freundin muss gleich hinter dem Wandvorsprung sitzen. Wenn sie sich konzentriert, kann sie dem Gespräch mühelos folgen. Der kurze Impuls aufzustehen und Heike zu begrüßen, wird durch den ersten Satz beiseite gefegt.
»Also, Heike«, sagt die klebrige Stimme des Mannes, »wir haben zwar die letzten Jahre immer gut zusammengearbeitet, aber besonders Dr. Kargel schätzte deine kompetente Kraft immer über alle Maßen, so hat er es mir jedenfalls des Öfteren vermittelt.«
»Karsten, jetzt übertreibst du aber wirklich«, hört Maria Teske ihre Schulfreundin säuseln und gleichzeitig fällt es ihr wie Schuppen von den Augen. Der Kerl ist Karsten Bonsteed, der stellvertretende Vorsitzende der Storm-Gesellschaft.
Diese falsche Schlange, denkt sie aufgebracht. In unserem letzten Gespräch hat sie den Mann noch einen Protzsack genannt, der angibt wie zehn nackte Neger. Und jetzt! Was ist da in der Zwischenzeit passiert?
Maria Teske duckt sich unwillkürlich hinter dem Mauervorsprung.
»Wir brauchen hier ja nicht um den heißen Brei herumzureden, Heike. Es gibt schon seit langem das Gerücht, ich hätte ein Verhältnis mit Kargels Frau gehabt. Das ist natürlich nur eine dieser bösartigen Verleumdungen.«
»Ehrenwort?«
»Aber Heike, du solltest mir schon etwas mehr vertrauen. Nach dem Tod von Dr. Kargel ist ein ziemliches Vakuum entstanden. Die Stelle des Vorsitzenden muss neu besetzt werden. Jetzt werden hinter den Kulissen bereits die Fäden gesponnen. Du verstehst, politische Seilschaften und so!«
»Und weshalb hast du mich um diese Unterredung gebeten?«
»Nun, ich denke dabei natürlich auch an deine Zukunft, Heike. Dieser neu entdeckte Storm-Roman wird hier in Husum einiges verändern. Die Storm-Gesellschaft wird expandieren. Es muss mehr Personal eingestellt werden. Dann werden die Karten neu gemischt. Höchste Zeit sich in eine gute Ausgangsposition zu bringen. Wahrscheinlich wird bald eine Chefsekretärin gebraucht. Da heißt es zugreifen.«
»Und wie soll ich das anstellen?«
»Das will ich dir ja gerade erklären, meine Liebe!« Bon-steeds Stimme wird eine Idee leiser und suggestiver. Maria Teske muss sich anstrengen um weiterhin folgen zu können. »Ein wichtiger Angelpunkt bei den ausstehenden Entscheidungen, die in nächster Zeit getroffen werden, ist der Chefredakteur Theodor Bigdowski von der ›Husumer Rundschau‹. Der sitzt mit im Stadtrat, in den wichtigsten Gremien, der Mann hat beste Kontakte zum Verleger der Zeitung, einem anerkannten Kulturmäzen. ›Think Big‹, so wird er ja verspottet, ist derjenige, der in dieser Stadt alle Hebel in der Hand hat.«
»Weswegen erzählst du mir das alles?«
»Damit du siehst, dass ich dir vertraue. Außerdem ist es gut, dass dich jemand in die Pfade dieser Stadt einweiht, nach dem Motto: Wissen wie alles läuft! Und jetzt pass’ genau auf.«
Bonsteeds Stimme wird so leise, dass nichts mehr zu verstehen ist.
»Frederike Kargel hat sich mit Bigdowski getroffen?«, antwortet ihre Schulfreundin darauf übertrieben laut. Bonsteed gibt ihr zischend zu verstehen etwas leiser zu sprechen.
»Was will denn Kargels Frau von Bigdowski?«, fragt sie darauf vernehmbar leiser.
»Das weiß ich eben auch nicht!« behauptet Bonsteed. »Wahrscheinlich versucht sie mich schlecht zu machen, wegen dieser unsäglichen Gerüchte. Gekränkte Eitelkeit vielleicht, weil ich auf ihre eindeutigen Avancen nicht reagiert habe. Wenn Frederike Kargel zu so einem Zeitpunkt plötzlich bei Bigdowski auftaucht, hat das auf alle Fälle etwas zu bedeuten. Der Mann ist eine Krake mit Einfluss, der bei Kargels Nachfolge seine Fangarme überall reinsteckt. Ich muss unter allen Umständen wissen, was sich da zusammenbraut und was
Weitere Kostenlose Bücher