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Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen

Titel: Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wimmer Wilkenloh
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er auf Teufel komm raus nicht da mit hin. Ich musste ziemlichen Druck ausüben. Merkwürdig oder?«
    »Wieso?«
    »Dort war er dann mit einem Mal völlig cool!«

4
    Der kahlköpfige Jugendliche trägt eine braungrün-gesprenkelte Militärhose. Am Gürtel hängt eine Metallkette, die in einem Bogen bis zum rechten Knie hinunterreicht. Unter dem Kragen der schwarzen Bomberjacke lugt ein Spinnweben-Tattoo auf dem Nacken hervor. Mit den weinroten Springerstiefeln schreitet er die Videowand ab, greift sich eine Kassettenhülle heraus und liest den Covertext laut vor.
    »Eeeh, Torte! Was meinst du?«
    Vom Verkaufstresen kommt ein Kopfschütteln. Ein spindeldürres Mädchen mit knallrot gefärbten Haaren sitzt dort auf einer Art Barhocker. Der Glatzkopf stellt die Hülle zurück. Hajo Peters mag diese Art Kunden zwar nicht besonders, aber meistens leihen sie bis zu drei Filme pro Tag aus und er kann auf diese Einnahmen nicht verzichten. Um das Pärchen möglichst schnell wieder los zu werden, deutet er auf die Neuerscheinungen.
    »Den Film ganz links solltet i hr nehmen. Sleepy Hollow mit Johnny Depp. Der ist echt toll.«
    Der Glatzkopf schnappt sich die Kassettenhülle und mustert sie.
    »Ein kopfloser Reiter. Das ist ja ’n Horrorfilm. Auf so was steht die Torte nun überhaupt nicht.«
    Er greift sich zwei andere Hüllen von den Neuerscheinungen und wirft sie nacheinander zu seiner Freundin hinüber, die sie jeweils mit einer Hand auffängt. Nachdem sie die Inhaltsangabe durchgelesen hat, nickt sie.
    »Die nehmen wir.«
    Hajo Peters atmet erleichtert durch, lässt sich die Nummern reichen und holt eilig die dazugehörigen Kassetten. Derweil rattert schon der Nadeldrucker und spuckt den Verleihzettel aus. Eine Unterschrift und gut. Er zündet sich eine Zigarette an und nimmt einen tiefen Zug. Gerade heute Vormittag ist er nicht besonders erfreut über die übliche Kleckerkundschaft.
    Beim Zeitung lesen heute Morgen wurde ihm angesichts der Schlagzeile: »Husumerin ermordet« ganz schlecht und ihm geht das Wort Mord seitdem nicht mehr aus dem Kopf. Er kann nicht begreifen, wie die Bullen so schnell darauf gekommen sind.
    Mit einem Mal merkt er, wie sehr ihm der gestrige Tag noch immer in den Knochen steckt. Dieser grausliche Kellerraum. Der aufgebahrte Leichnam. Das Tuch, das heruntergezogen wurde. Der aufgeblähte Körper, die weiße Haut mit den blauen Adern. Die beiden Pappstücke, die man über die Augen gelegt hatte. Dieser grüne Junge von der Polizei, der ihn so fragend ansah. Am Anfang, als dieser Typ ihn hier in der Videothek abholen wollte, hatte er sich dagegen gewehrt mitzukommen, um die Identifizierung vorzunehmen. Auf alle Situationen hatte er sich vorbereitet, nur auf diese nicht. Eine undefinierbare Angst durchzudrehen, setzte sich in ihm fest. Angst vor der Leiche und dass man ihm auf die Schliche käme. Aber dann war alles halb so schlimm gewesen. Der Körper lag getrennt von ihm hinter einer großen Glasscheibe und hatte einfach nichts mit ihm zu tun, da er mit Edda keine Ähnlichkeit mehr aufwies. Er schaute einfach durch sie hindurch. Ihm kamen Bilder von ertrunkenen Schafen in den Sinn, die mit prallen Bäuchen auf dem Rücken liegend ihre Beine in die Höhe streckten. Edda existierte nicht mehr. Dort lag ein totes Schaf. Er merkte, dass es in seinem Herzen eiskalt wurde. Mit knappen Worten identifizierte er Edda an dem Muttermal im Nacken und an ihrer kleinen Narbe an der Hand. Jetzt, dachte er, war er der Polizei sogar wieder überlegen. Er fühlte sich nicht schuldig, weil der Mordabend in weiter Ferne lag und gar nicht wirklich passiert war.
    Als er am selben Abend die Wohnungstür aufschloss, war er sich sicher, dass das Thema Edda für ihn ein für allemal erledigt sein würde. Schon fast rituell zog er erst einmal die Schublade auf, in der er das Storm-Manuskript aufbewahrte, um sich zu vergewissern, dass es noch am Platz lag. Dann ließ er sich auf einen Stuhl plumpsen und dachte noch einmal über seinen Plan nach. Zuerst wollte er Kontakt mit diesem Wraage aufnehmen, der in der Zeitung immer über den Storm-Roman geschrieben hatte. Die Adresse konnte er ja bei der Husumer Rundschau erfragen. Der Reporter von der Zeitung gab ihm auch gleich die Telefonnummer des Experten, hakte aber so lange nach, bis er sich verplapperte und ihm von dem Roman erzählte. Er wollte dann unbedingt sofort einen Termin haben. Hajo Peters versuchte ihn abzuwimmeln, war der Rhetorik des Zeitungsmannes aber nicht

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