Hätschelkind: Der erste Fall für Jan Swensen
Peters.«
Während der angebliche Finder über das ganze Gesicht strahlt, zieht Rüdiger Poth einen Umschlag aus seiner Ledermappe.
»Hier ist er, der Vertrag, wie wir ihn gestern besprochen haben!«
Der Angesprochene weicht jedoch argwöhnisch zurück.
»Ich versteh’ da nicht viel von. Geben Sie ihn doch bitte Herrn Wraage.«
»Wie bitte?«
»Ja, Herr Poth, Sie hören richtig!«, meldet sich der Experte zu Wort.
»Wir sind übereingekommen, uns gemeinsam um den Roman zu kümmern. Wir sind in der Zwischenzeit sozusagen Partner geworden, nicht wahr, Herr Peters!«
»Genau, wir sind Partner, Herr Poth!«
»Geschickt, geschickt, Herr Wraage!«, meint Poth ironisch.
»Dann zeigen Sie doch mal Ihren Vertrag, Herr Poth!«
Ruppert Wraage nimmt den Umschlag, zieht den Papierbogen heraus und liest ihn durch. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen.
»Oh! Alle Rechte bei der Zeitung? Das würde ich schon mal nicht unterschreiben, Herr Peters.«
Der Journalist gibt sich zwar gelassen, aber sein Gesicht nimmt vor Zorn eine puterrote Farbe an.
»Passen Sie auf, Herr Poth. Ihr Vertrag beschränkt sich zwar richtiggehend auf eine einmalige Veröffentlichung und die gebotene Summe ist, na ja, in Ordnung, aber es muss da schon noch eine Kleinigkeit geändert werden.«
Wraage schaut Peters fragend an und der nickt heftig.
»Also, alle Rechte an dem Roman bleiben natürlich auch weiterhin bei Herrn Peters. Das sollte auf jeden Fall mit im Vertrag stehen.«
»In Ordnung. Aber wir müssen erst von einem unabhängigen Sachverständigen prüfen lassen, ob Ihre Einschätzung von der Echtheit auch wirklich stimmt.«
»Selbstverständlich! Die Kosten müssen aber von der Zeitung übernommen werden.«
»Sie denken an alles!«
»Sie wollen doch eine Erstveröffentlichung, oder?«
»Gut, gut! Dann kann ich das Manuskript sofort mitnehmen?«
»Was meinen Sie, Herr Wraage?«, fragt Hajo Peters unschlüssig. Der nickt bestätigend und rät: »Sie wissen, wie wertvoll dieses Schriftstück ist. Herr Peters, drucken Sie bitte eine Quittung aus, die einen Passus enthält, dass die ›Husumer Rundschau‹ bei Verlust und Beschädigung die volle Haftung übernimmt. Herr Poth kann sie dann ja gleich unterschreiben.«
Hajo Peters geht an seinen Geschäftscomputer und tippt umständlich auf der Tastatur. Ruppert Wraage beugt sich an sein Ohr und flüstert: »Herr Peters, wir zwei beiden sollten ebenfalls einen Vertrag machen. Ich kenn’ mich bestimmt besser aus im Umgang mit Verlagen und Medien, das kann Ihnen ziemlich nützlich sein. Sie werden den Roman mit meiner Hilfe nicht unter Preis vermarkten.«
Während die eingegebene Quittung unten ratternd aus dem Nadeldrucker fährt, mustert Hajo Peters seinen unverhofften Geschäftspartner eindringlich von der Seite. Dieses ausgeprägte Gesicht mit dem leichten Haken in der Nase, den stechenden Augen und den fast schwarzen, zurückgekämmten Haaren, so hatte er sich immer die dunkle Figur des Deichgrafen Hauke Haien aus Storms Schimmelreiter vorgestellt. Unheimlich und unnahbar.
Der Mann ist mir ganz und gar nicht geheuer, denkt er. Auf der anderen Seite wäre ich ohne ihn jetzt wahrscheinlich schon von diesem Zeitungsheini übers Ohr gehauen worden. Es ist vielleicht gar nicht so schlecht, sich mit jemanden zusammen zu tun, der Erfahrung in solchen Verkaufssachen hat.
Trotzdem wird es Hajo Peters mulmig in der Magengegend. Augen aufhalten, sagt seine innere Stimme und er erinnert sich dabei an den Satz aus dem Schimmelreiter: Zwei Augen hat man nur, und mit hundert soll man sehen.
* * *
Swensen betritt verstört die Husumer Polizeiinspektion. Mit leerem Blick, ohne einen Gruß, marschiert er an der Rezeption vorbei. Susan Biehl und Rudolf Jacobsen sehen ihm erstaunt hinterher.
»Vollkommen weggetreten!«, säuselt Susan und Rudolf Jacobsen ergänzt ihren Spruch trällernd mit: »Völlig losgelöst!«
Swensen schließt nach dem Betreten seines Büros die Tür und tritt an das Fenster. Gerade fahren mehrere Streifenwagen vom Hof. Kurz danach hört er, wie ihre Martinshörner aufjaulen. Das goldene Licht der Herbstsonne gleitet über den ramponierten Asphalt, erreicht die brüchige Mauer, die den gesamten Hinterhof umfasst und legt einen übernatürlichen Glanz auf die Blätter des Efeus, der den größten Teil des Gemäuers überwuchert.
Ein wenig Sonne und sogar das Morbide hat seinen Charme, denkt er. Jahrelang guckt man hier hinaus und plötzlich ist alles Hässliche
Weitere Kostenlose Bücher