Hafen der Träume: Roman (German Edition)
auch gern gesehen. Einen Fischadler, der auf seinem grob gebauten kreisrunden Nest saß und die Menschen ignorierte.
»Sehen Sie die orangefarbenen Bojen dort? Das sind Krabbenkörbe. Der Fischer auf dem Boot dort lässt Kadaver herunter. Er überprüft seine Körbe und legt neuen Köder aus. Und drüben, an Steuerbord.« Phillip drehte ihren Kopf nach rechts. »Der kleine Außenborder. Scheint, als ob da jemand Streifenbarsch fürs Sonntagessen angelt.«
»Ziemlich viel Betrieb hier«, bemerkte Sybill. »Ich staune.«
»Auf und unter dem Wasser.«
Phillip änderte die Fahrtrichtung. Das Boot neigte sich seitlich und glitt an einer Reihe dicht stehender Bäume vorbei, deren Äste über das Wasser ragten. Als sie die Bäume passiert hatten, kam ein kleiner Anlegesteg in Sicht. Dahinter erstreckte sich eine Rasenfläche, von Blumenbeeten aufgelockert, deren Sommerfarben schon leicht zu verblassen begannen. Das Haus war einfach, weiß und blau gestrichen. Auf der breiten überdachten Veranda stand ein Schaukelstuhl, und in einem alten irdenen Topf blühten gelbe Chrysanthemen.
Durch das offene Fenster konnte Sybill die leichten Klänge von Klaviermusik hören. Chopin, erkannte sie nach einem kurzen Augenblick.
»Ein hübscher Platz.« Sie neigte den Kopf, um das Haus noch länger zu betrachten. »Fehlt nur noch der Hund, ein paar Kinder, die Ball spielen, und im Baum ein alter Autoreifen als Schaukel.«
»Wir sind zu alt, um auf Autoreifen zu schaukeln, aber einen Hund hatten wir immer. Das ist unser Haus«, sagte Phillip und fuhr gedankenverloren mit der Hand über Sybills Pferdeschwanz.
»Ihr Haus?« Sie setzte sich gerade auf, um einen besseren Blick zu haben. Wo Seth lebte, dachte Sybill, und ein Dutzend widersprüchlicher Emotionen brachen in ihr hervor.
»Wir haben im Hof hinter dem Haus oft Bälle geworfen
oder uns gegenseitig zu Boden geschmissen. Wenn wir später zurückkommen, können Sie den Rest der Familie kennen lernen.«
Sybill schloss die Augen und drängte die Gewissensbisse beiseite. »Das würde ich gern.«
Phillip hatte an einen bestimmten Platz gedacht. Die ruhige Bucht mit den sanft plätschernden Wellen und ihrem bewegten Spiel von Licht und Schatten schien für ein romantisches Picknick wie geschaffen. Das Schilfrohr glänzte feucht, und der Himmel spannte sich wie ein blauer Baldachin über dem Wasser. Phillip ließ den Anker fallen.
»Offensichtlich sind meine Recherchen über diese Gegend lückenhaft.«
»Hm?« Phillip öffnete eine große Kühlbox und holte eine Weinflasche heraus.
»Sie ist voller Überraschungen.«
»Ich hoffe, es sind angenehme.«
»Sehr angenehme.« Lächelnd hob Sybill die Brauen und sah auf das Etikett der Weinflasche, die er öffnete.
»Sie scheinen eine Frau zu sein, die einen guten trockenen Sancerre zu schätzen weiß.«
»Sehr scharfsinnig von Ihnen.«
»Das bin ich immer.« Aus einem Weidenkorb nahm Phillip zwei Weingläser und schenkte ein. »Auf die angenehmen Überraschungen«, sagte er und stieß mit seinem Glas an ihres.
»Noch mehr Überraschungen?«
Phillip ergriff Sybills Hand und küsste ihre Finger. »Wir haben noch gar nicht richtig damit angefangen.« Er stellte sein Glas beiseite und breitete eine weiße Tischdecke auf den Decksplanken aus. »Der Tisch für Sie ist gedeckt.«
»Ah.« Auf das Spiel eingehend, setzte Sybill sich, beschattete mit der Hand die Augen und blickte lächelnd
zu ihm auf. »Und was empfehlen Sie als Spezialität des Hauses?«
»Eine ausgezeichnete Pastete, um den Appetit anzuregen.« Er öffnete einen kleinen Behälter und präsentierte ihr den Inhalt, zusammen mit einer Schachtel Cracker aus geschrotetem Weizen.
»Hmm«, sagte sie und nickte nach dem ersten Bissen. »Sehr gut.«
»Es folgt Krabbensalat à la Quinn.«
»Klingt vielversprechend. Haben Sie den Salat eigenhändig zubereitet?«
»So ist es.« Er lächelte Sybill breit an. »Ich bin ein Spitzenkoch.«
»Der Mann kann kochen, besitzt einen ausgezeichneten Gaumen für Wein, liebt das gepflegte Ambiente und passt in seine Jeans.« Sybill biss erneut in das mit Pastete belegte hart gebackene Weizenbrot. Die Anspannung fiel von ihr ab, weil sie sich wieder in vertrauten Bahnen bewegte. »Sie scheinen ein ziemlich guter Fang zu sein, Mr. Quinn.«
»Allerdings, Dr. Griffin.«
Sybill lachte über ihr Glas hinweg. »Und wie viele Frauen durften sich bereits glücklich schätzen, hier mit Ihnen Krabbensalat à la Quinn zu essen?«
»Um
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