Hafen der Träume: Roman (German Edition)
sind Sie nicht.«
»Noch nicht. Vielleicht gelingt es mir später.« Sybill wandte ihr Gesicht in den Wind. Er riss und zerrte an ihrer Frisur, als wollte er das Haar aus dem Band lösen. »Wohin segeln wir?«
»Wir haben kein bestimmtes Ziel.«
Ihr Lächeln wurde wärmer. »Dahin wollte ich schon immer.«
So hatte sie ihn noch nie angelächelt, dachte Phillip. Spontan und offen. Er bezweifelte, ob sie wusste, wie sehr dieses Lächeln ihre kühle Schönheit verwandelte, sie weicher und zugänglicher wirken ließ. In dem Bedürfnis, Sybill zu berühren, streckte er die Hand aus.
»Kommen Sie her und genießen Sie die Aussicht von hier oben.«
Ihr Lächeln erlosch. »Aufstehen?«
»Sicher. Heute gibt es keine Wellen. Wir werden eine ruhige Fahrt haben.«
»Aufstehen?« fragte sie noch einmal und betonte jede Silbe einzeln. »Und herüberkommen. Nach oben.«
»Zwei Schritte.« Phillip konnte ein Grinsen nicht verbergen. »Sie wollen doch nicht nur Passagierin sein, oder?«
»Ehrlich gesagt, schon.« Mit geweiteten Augen sah
Sybill, wie Phillip vom Steuer wegtrat. »Nein, nicht.« Sie unterdrückte einen Aufschrei, aber er lachte und griff ihre Hand. Bevor sie sich schwer machen konnte, hatte er Sybill vom Sitz gezogen. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel gegen ihn. In tödlichem Schrecken hielt sie sich Schutz suchend an Phillip fest.
»Hätte ich nicht besser planen können«, murmelte er, sie stützend, und kehrte mit ihr zum Steuer zurück. »Ich mag es, wenn ich Ihren Duft riechen kann. Man muss Ihnen als Mann ziemlich nahe kommen …« Er wandte den Kopf und berührte mit den Lippen ihren Hals.
»Nein, nicht.« Erregung und Angst jagten durch Sybill. »Passen Sie auf.«
»Ach, glauben Sie mir doch.« Phillip knabberte an ihrem Ohrläppchen und biss zu. »Das tue ich ja.«
»Auf das Boot. Passen Sie auf das Boot auf.«
»Ja, klar.« Aber er hielt den Arm fest um sie geschlungen. »Sehen Sie über den Bug zum Hafen. Dann nach links«, erklärte er. »Der kleine Wasserarm, der in das Marschland führt. Vielleicht sehen Sie Fischreiher und wilde Truthähne.«
»Wo?«
»Manchmal muss man tief hineinfahren und suchen. Aber es kommt vor, dass die Fischreiher wie Skulpturen hier im hohen Gras stehen oder sich majestätisch in die Luft erheben, und die Truthähne brechen mit Getöse durch die Äste, wenn sie von den Bäumen auffliegen.«
Sie wollte sehen, schauen, erleben, stellte Sybill plötzlich fest. Ihr Interesse war erwacht.
»In ungefähr vier Wochen können Sie den Zug der Wildgänse über der Bay beobachten. Aus ihrer Perspektive unterscheidet sich unsere Wasserwelt kaum von den Everglades in Florida.«
Sybills Herz pochte noch immer unruhig, aber sie atmete tief und bewusst durch. »Warum?«
»Das Marschland. Die Erschließung lohnt sich nicht,
da es zu weit von den Stränden entfernt liegt. Das Watt ist weitgehend unberührte Natur und eine Sehenswürdigkeit für sich. Bei der Chesapeake Bay handelt es sich um eine dem Wechsel der Gezeiten ausgesetzte Flussmündung. Wassersportler, Angler und Fischer schwärmen, dieser Meeresarm hätte mehr zu bieten als die Fjorde Norwegens.«
Wieder atmete Sybill tief ein und aus. »Warum?«
»Das flache Wasser und die Uferbänke. Ein Meeresarm braucht flache Stellen, an denen die Sonne Wasserpflanzen und Plankton wachsen lässt. Und die Wattgebiete. Hier gibt es unzählige von der Tide abhängige Wasserläufe und kleine versteckte Buchten. Genau.« Phillip hauchte einen Kuss auf Sybills Scheitel. »Jetzt sind Sie entspannt.«
Überrascht stellte Sybill fest, dass sie nicht nur entspannt war, sondern ganz von ihrer Umgebung gefangen genommen. »Sie haben mich abgelenkt und die Wissenschaftlerin in mir angesprochen.«
»Damit Sie aufhören, an ihre Angst zu denken.«
»Habe ich.« Sie hätte wissen müssen, wie leicht er herausfinden würde, welchen Knopf er drücken musste. »Seefest bin ich noch nicht, aber der Blick gefällt mir. Alles ist so grün.« Sybill beobachtete, wie sie an mächtigen dicht belaubten Bäumen vorbeiglitten und an verschwiegenen schattigen Buchten im Marschland. Auf Pegelanzeigern entdeckte Sybill riesige ausgefranste Nester. »Wie heißen die Vögel, die dort brüten?«
»Fischadler. Das sind wirkliche Experten für die Disassoziationstechniken, von denen Sie sprachen. Selbst wenn Sie in nächster Nähe vorbeisegeln, sieht der Adler einfach durch Sie hindurch.«
»Überlebensinstinkt«, murmelte Sybill. Das hätte sie
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