Hafen der Träume: Roman (German Edition)
sich in ihr auf, ein inneres Verlangen, das sich nicht unterdrücken ließ. Als sie zerbarst, schlangen seine Arme sich innig um sie, und er zerbarst mit ihr.
»Eigentlich wollte ich kochen«, sagte er später, als Sybill auf ihm lag, ermattet und sprachlos. »Aber ich denke, wir lassen uns etwas bringen und essen im Bett.«
»Einverstanden.« Sie hielt die Augen geschlossen, horchte auf seinen Herzschlag und wollte an nichts denken.
»Du kannst morgen ausschlafen.« Er spielte mit ihrem Haar. Er wollte morgen neben ihr aufwachen, sie bei sich haben. Das wünschte er sich sehr und musste später darüber nachdenken, dass er es sich wünschte. »Du kannst einen Einkaufsbummel machen und dir die Stadt ansehen. Wenn du den Tag in Baltimore verbringst, können wir gemeinsam nach Hause fahren. Ich fahr dir voraus.«
»Einverstanden.« Sie hatte keine Kraft, ihm zu widersprechen. Außerdem war das, was er sagte, vernünftig. Der Autobahnring um Baltimore war verwirrend und für sie völlig ungewohnt. Und sie hatte Lust, ein paar Stunden durch die Stadt zu bummeln. Jedenfalls wäre es ausgesprochen töricht, noch heute Nacht zurückzufahren, im Regen.
»Du bist entsetzlich nachgiebig.«
»Du erwischst mich in einem schwachen Moment. Ich bin hungrig und scheue mich, nachts zu fahren. Und ich vermisse die Großstadt.«
»Aha. Es liegt also nicht an meinem unwiderstehlichen Charme und meiner Ehrfurcht gebietenden Manneskraft.«
Sie lächelte verschmitzt. »Nein, aber sie schaden nicht.«
»Ich mache dir morgen ein Omelett mit Eischnee zum Frühstück, und du wirst meine Sklavin sein.«
Es gelang ihr zu lachen. »Wir werden sehen.«
Sie fürchtete, sich bereits jetzt in einem Zustand der Versklavung zu befinden. Ihr Herz, das sie verzweifelt zum Schweigen bringen wollte, beharrte eigensinnig darauf, dass sie in ihn verliebt war.
Und das wäre ein viel größerer Fehler mit wesentlich komplizierteren Folgen, als an einem verregneten Abend an seine Tür zu klopfen.
KAPITEL 16
Wenn eine neunundzwanzigjährige Frau sich dreimal umzog, weil sie zur Geburtstagsparty eines elfjährigen Jungen eingeladen war, war mit ihr etwas nicht in Ordnung.
Diese Überlegung stellte Sybill an, während sie die weiße Seidenbluse wieder auszog – weiße Seide, gütiger Himmel, was hatte sie sich nur dabei gedacht – und in einen Rollkragenpulli schlüpfte.
Sie war zu einem Abendessen im Familienkreis eingeladen, nicht zu einem Diplomatenempfang, wobei ihr letzterer weniger Kopfzerbrechen bereitet hätte, wie sie sich eingestehen musste. Welche Kleiderordnung bei offiziellen Empfängen, einem Staatsbankett, einer Gala oder einem Wohltätigkeitsball herrschte, wie sie sich zu benehmen hatte darin und was sie dort erwartete, wusste sie genau, darin war sie geschult.
Und sie stellte sich ein ziemliches Armutszeugnis aus, dass sie weder wusste, was sie zur Geburtstagsparty ihres Neffen anziehen, noch wie sie sich benehmen sollte.
Sie legte sich eine lange Silberkette um den Hals, nahm sie wieder ab und legte sie fluchend wieder um. Ob sie sich nun zu schick anzog oder zu salopp, was machte das schon? Sie wäre in jedem Fall deplatziert. Sie würde so tun als ob, die Quinns würden so tun als ob, und alle wären heilfroh, wenn sie sich verabschieden und gehen würde.
Zwei Stunden, nahm sie sich vor. Sie wollte nur zwei Stunden bleiben. Die würde sie durchstehen. Alle würden höflich sein, jeder würde sich um Seths willen bemühen, peinliche Szenen und spitze Bemerkungen zu vermeiden.
Sie bürstete sich das Haar glatt nach hinten und steckte es mit einer dünnen Haarnadel hinter den Ohren fest, bevor sie sich kritisch im Spiegel musterte. Sie wirkte selbstbewusst, stellte sie fest. Freundlich und nicht bedrohlich.
Außer … vielleicht war die Farbe ihres Pullis zu lebhaft. Grau wäre vielleicht besser, oder braun.
Gütiger Himmel. Das Klingeln des Telefons war ihr eine willkommene Ablenkung. »Ja, hallo. Dr. Griffin.«
»Syb. Du bist noch da. Ich dachte schon, du wärst abgereist.«
»Gloria.« In ihrem Magen lag plötzlich ein Gewicht wie ein Ziegelstein. Langsam ließ sie sich auf die Bettkante nieder. »Wo bist du?«
»Ach, mal hier, mal da. Hey, tut mir Leid, dass ich dich neulich in der Kneipe sitzen gelassen habe. Ich war total durch den Wind.«
Total durch den Wind, dachte Sybill. Eine passende Ausrede für jede Gelegenheit. Ihrer hastigen Sprechweise entnahm Sybill, dass Gloria wieder einmal total durch den
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