Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Georges Burgunder, das einen französischen Kavallerieoffizier aus dem achtzehnten Jahrhundert darstellte, auf einem Holzfass hockend, mit einem
Glas und einer Pfeife in der Hand und höchst zufrieden lächelnd.
An den weiß getünchten Wänden hing spärlich verteilt moderne Kunst. Hinter einem runden Glastisch mit geschwungenen Stahlbeinen ein gerahmtes Poster für Taitinger Champagner. Eine elegante Frau, Typ Grace Kelly, im geschmeidigen, schwarzen Abendkleid, hielt ein Flötenglas mit perlendem Champagner in zarter Hand. Sybill erkannte einen Druck von Joan Miró und eine gelungene Reproduktion von Alphonse Muchas Automne.
Die Lampen waren zurückhaltend modern und von elegantem Design zugleich. Der hellgraue Teppichboden verlieh dem Raum zusätzliche Weite, das hohe, vorhanglose Fenster war regennass.
Der Raum strahlte männliche Eleganz und erlesenen Geschmack aus. Sie bewunderte gerade einen braunen Lederschemel in Form eines Schweinchens, als Phillip mit zwei Gläsern erschien.
»Dein Schwein gefällt mir.«
»Ja, ich fand es auch ganz witzig. Nun erzähl mir von deinem interessanten Tag.«
»Ich habe dich gar nicht gefragt, ob du etwas vorhast.« Erst jetzt bemerkte sie, dass er ein schwarzes Sweatshirt und Jeans trug und keine Schuhe. Doch das bedeutete nicht …
»Jetzt habe ich was vor.« Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu der U-förmigen Couch. »Du warst heute Nachmittag beim Anwalt.«
»Woher weißt du?«
»Er ist ein Freund und hält mich auf dem Laufenden.« Er musste sich seine Enttäuschung eingestehen, dass sie ihm ihren heutigen Termin verschwiegen hatte. »Wie ist es gelaufen?«
»Ganz gut, denke ich. Er scheint zuversichtlich, dass der Antrag auf Vormundschaft genehmigt wird. Leider
konnte ich meine Mutter nicht überreden, eine Aussage zu machen.«
»Sie ist wütend auf dich.«
Sybill nahm einen Schluck Wein. »Ja, sie ist wütend und bereut zweifellos zutiefst, dass sie sich hinreißen ließ, mir zu erzählen, was zwischen ihr und deinem Vater vorgefallen war.«
Er hielt immer noch ihre Hand und streichelte sie. »Es ist bestimmt schwer für dich. Tut mir Leid.«
Sybill blickte auf ihre verschlungenen Hände. Wie sanft seine Berührung ist, dachte sie zerstreut. Als ob es das Selbstverständlichste von der Welt wäre. »Ich bin erwachsen. Und dieser kleine Vorfall, so sehr er die Gemüter in St. Chris erregen mag, wird keine Wellen über den Atlantischen Ozean bis nach Paris schlagen. Sie kommt darüber hinweg.«
»Und du?«
»Das Leben geht weiter. Sobald die Vormundschaft gesetzlich geregelt ist, hat Gloria keine Handhabe mehr, dich und deine Familie unter Druck zu setzen. Und Seth. Sie wird zwar immer wieder in Schwierigkeiten geraten, aber daran kann ich nichts ändern. Ich will auch nichts daran ändern.«
Gefühlskälte, überlegte Phillip, oder Selbsterhaltung?
»Auch wenn alles glatt über die Bühne geht, bleibt Seth dein Neffe. Niemand von uns will dich daran hindern, ihn zu besuchen und an seinem Leben teilzunehmen.«
»Ich bin kein Teil seines Lebens«, sagte sie tonlos. »Es wäre nur störend und destruktiv, mich einzumischen und ihn an sein früheres Leben zu erinnern. Es grenzt an ein Wunder, dass ihm das, was Gloria ihm angetan hat, keinen bleibenden Schaden zugefügt hat. Alles, was er je an Geborgenheit erfuhr, hat er deinem Vater, dir und deiner Familie zu verdanken. Er hat kein Vertrauen
zu mir, Phillip. Und ich habe ihm weiß Gott keinen Grund gegeben, mir zu vertrauen.«
»Vertrauen ist etwas, das man sich verdient. Du musst den Wunsch verspüren, sein Vertrauen zu gewinnen.«
Sie stand auf, trat ans dunkle Fenster und blickte auf die Lichter der Stadt hinaus, die hinter den Regenschlieren glitzerten. »Hast du Kontakt zu deiner Mutter oder deinen Freunden in Baltimore gesucht, nachdem du zu Ray und Stella Quinn gekommen bist, die dir geholfen haben, dein Leben zu verändern, zu dir zu finden?«
»Meine Mutter war eine Gelegenheitsnutte, die mir nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnte, und meine Freunde waren Drogendealer, Junkies und Diebe. Ich wollte mit denen genauso wenig Kontakt wie sie mit mir.«
»Trotzdem.« Sybill wandte sich ihm zu. »Du verstehst, was ich meine.«
»Ich verstehe, aber ich bin anderer Meinung.«
»Seth ist meiner Meinung.«
Phillip stellte sein Glas ab und stand auf. »Er will, dass du am Freitag zu seinem Geburtstag kommst.«
»Du willst, dass ich komme«, korrigierte sie ihn. »Und ich weiß es
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