Hafen der Träume: Roman (German Edition)
Eltern.«
»Natürlich nicht.«
»Und sie waren high, von irgendwelchem Zeug. Es folgte Gebrüll, Drohungen, Flehen – und alles vor den Oxford-Zwillingen. Habe ich schon gesagt, dass es Zwillinge waren?«
»Nein, hast du nicht.«
»Völlig identisch. Blond, blass, hohlwangig. Natürlich hat sich Gloria aus den beiden überhaupt nichts gemacht. Sie hat die Zwillinge nur verführt, um mit ihnen entdeckt zu werden. Weil sie wusste, dass meine Mutter sie als Heiratskandidaten für mich vorgesehen hatte. Sie hasste mich. Gloria, nicht meine Mutter.« Sybill legte die Stirn in Falten. »Meine Mutter hat mich nicht gehasst.«
»Was passierte dann?«
»Die Zwillinge wurden in Ungnade nach Hause geschickt, und Gloria bekam eine Strafe. Natürlich schlug
sie zurück und beschuldigte jetzt den Freund meines Vaters, er hätte sie verführt. Was wieder zu einer fürchterlichen Szene und schließlich dazu führte, dass Gloria das Elternhaus für immer verließ. Nachdem sie fort war, wurde es verständlicherweise ruhiger in der Familie, aber meine Eltern hatten auch mehr Zeit, ihre Erziehungsversuche auf mich zu konzentrieren. Ich fragte mich damals, warum meine Eltern in mir weniger ein Kind als eine Sache sahen. Und warum sie mich nicht lieben konnten. Andererseits …« Sybill lehnte sich wieder zurück. »Ich bin nicht sehr liebenswert. Mich hat noch nie jemand geliebt.«
Von schmerzlicher Sehnsucht nach der Frau und dem Kind, das sie war, getrieben, stellte Phillip sein Glas beiseite und nahm zärtlich Sybills Gesicht zwischen beide Hände. »Da irrst du dich.«
»Nein, ich irre mich nicht.« Ihr Lächeln war in Wein getaucht. »Ich bin Psychologin und kenne mich aus. Meine Eltern haben mich nie geliebt, von Glorias Liebe ganz zu schweigen. Mein Mann, der, der nicht zählt, hat mich auch nicht geliebt. Nicht einmal eines dieser seelenvollen gutherzigen Dienstmädchen, wie es sie in Romanen gibt, hat mich an seinen weichen ausladenden Busen gedrückt und geliebt. Den Menschen in meiner Umgebung schien sogar die Mühe zu groß, das Wort Liebe überhaupt in den Mund zu nehmen. Du dagegen bist sehr liebenswert.« Sybill fuhr mit ihrer freien Hand über Phillips Brust. »Ich habe noch nie mit einem Mann geschlafen, wenn ich betrunken war. Was glaubst du, wie das jetzt wäre?«
»Sybill.« Phillip hielt ihre Hand fest, um sich nicht ablenken zu lassen. »Deine Familie hat dich völlig verkannt und ist deinem Wert nicht gerecht geworden. Du solltest es ihnen nicht nachmachen.«
»Phillip.« Sybill beugte sich vor und biss vorsichtig in seine Unterlippe. »Mein Leben war langweilig und
verlief vorhersehbar. Bis du kamst. Als du mich zum ersten Mal geküsst hast, bin ich fast ohnmächtig geworden. Und wenn du mich berührst …« Mit einer langsamen Bewegung hob Sybill die Hand, mit der er sie festhielt, an ihre Brust. »Dann wird meine Haut glühend heiß, ich bekomme Herzrasen, und innerlich zerfließe ich. Du bist die Fassade hochgeklettert.« Sybill strich mit den Lippen über Phillips Wange. »Du hast mir Rosen geschenkt. Was so viel heißt, dass du mich willst, oder?«
»Ja, ich wollte dich, aber nicht einfach …«
»Nimm mich.« Sybill legte den Kopf in den Nacken, damit sie in diese bezaubernden Augen sehen konnte. »Das habe ich noch nie zu einem Mann gesagt. Stell dir vor. Nimm mich, Phillip.« Ihre Worte waren Flehen und Versprechen zugleich. »Nimm mich einfach.«
Das leere Glas entglitt ihrer Hand, als Sybill die Arme um ihn schlang. Unfähig, der Einladung zu widerstehen, sank Phillip mit ihr auf das Sofa.
Den dumpfen Schmerz in den Augenhöhlen und das Pochen an ihren Schläfen hatte sie verdient, dachte Sybill, während sie versuchte, die qualvollen Folgen des vergangenen Abends unter dem heißen Wasserstrahl der Dusche zu ertränken.
Gott war ihr Zeuge. Sybill würde nie, nie wieder zu viel Alkohol trinken, ganz gleich, in welcher Form.
Sie wünschte nur, der übertriebene Alkoholgenuss hätte ihr nicht nur einen Kater, sondern auch Gedächtnisverlust beschert. Aber Sybill wusste allzu gut, was sie über sich dahergeplappert hatte. Jede Einzelheit. Es war demütigend, daran zu denken, wie sie Phillip die intimsten Seelenabgründe offenbart hatte – darunter Dinge, die sie sich selbst kaum eingestand.
Jetzt musste sie Phillip gegenübertreten. Und sie musste sich der Tatsache stellen, dass sie innerhalb eines
einzigen Wochenendes in seinen Armen geweint und ihm sowohl ihren Körper gegeben
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