Hafen der Träume: Roman (German Edition)
als auch streng gehütete Geheimnisse vor ihm ausgebreitet hatte.
Und schließlich musste Sybill der Tatsache ins Auge sehen, dass sie sich hoffnungslos und gefährlich heftig in ihn verliebt hatte.
Was natürlich absurd und völlig irrational war. Ihr Glaube, sie würde nach so kurzer Zeit diese tiefen Gefühle für ihn empfinden können, zeigte bereits, wie hoffnungslos und gefährlich diese Beziehung war.
Ganz offensichtlich war ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt. Diese Gefühlslawine, die in wenigen Tagen über Sybill hereingebrochen war, machte jede objektive Distanz unmöglich. Sie war unfähig, die Situation klar zu analysieren.
Sobald sie die Sache mit Seth geregelt hatte und alle Details geklärt waren, würde Sybill diesen Abstand wiederherstellen müssen. Die einfachste und logischste Methode, damit anzufangen, war räumliche Distanz. Sie würde nach New York zurückkehren.
Wenn Sybill die Fäden ihres eigenen Lebens wieder in Händen hielt und in die bequeme und vertraute Alltagsroutine zurückglitt, käme sie sicher bald wieder zu Verstand.
Ganz gleich, wie elend und langweilig ihr diese Aussicht im Augenblick erschien.
Sybill nahm sich Zeit, ihr feuchtes Haar nach hinten zu bürsten, sich sorgfältig das Gesicht einzucremen und die Aufschläge ihres Bademantels zu richten. Um die innere Ruhe wiederzufinden, machte sie ein paar Atemübungen. Der geringe Erfolg wunderte sie nach einer solchen Nacht kaum.
Als Sybill durch die Badezimmertür trat, wirkte sie dennoch gefasst. Sie ging ins Wohnzimmer, wo Phillip gerade Kaffee einschenkte. Der Raumservice hatte das Frühstück bereits gebracht.
»Ich dachte, das könntest du gebrauchen.«
»Ja, danke.« Sybill verbot sich streng, ihren Blick auf die leere Champagnerflasche und auf die verstreut im Zimmer herumliegenden Kleidungsstücke zu richten, die sie in ihrem betrunkenen Zustand nicht mehr hatte aufsammeln können.
»Hast du Aspirin genommen?«
»Ja. Es wirkt schon.« Sybills Antwort klang steif. Sie nahm die Kaffeetasse entgegen und setzte sich hin, übertrieben vorsichtig wie eine Kranke. Ihr Gesicht war kalkweiß, mit dunklen Rändern unter den Augen. Sybill wusste das, sie hatte sich in dem beschlagenen Badspiegel eingehend begutachtet.
Jetzt konnte sie Phillip näher ansehen. Er war überhaupt nicht blass und hatte auch keine Ränder unter den Augen.
Eine Frau mit schwächerem Charakter würde ihn dafür verachten.
Während Sybill langsam ihren Kaffee trank und Phillip betrachtete, klärte sich ihr Geist. Wie oft hatte er gestern Abend ihr Glas nachgefüllt? Und wie oft sein eigenes? Offenbar gab es da beträchtliche Unterschiede.
Als Sybill sah, wie Phillip sein Toastbrot dick mit Schinken belegte, übermannte sie der Ärger. Ihr angegriffener Magen drehte sich bereits um, wenn sie nur an Essen dachte.
»Hunger?« fragte sie süß.
»Wie ein Bär.« Phillip hob den Deckel von einer Schüssel mit Rührei. »Du solltest auch versuchen, eine Kleinigkeit zu essen.«
Lieber würde sie sterben. »Hast du gut geschlafen?«
»Ja, ausgezeichnet.«
»Putzmunter und quietschvergnügt heute Morgen?«
Phillip hörte den Unterton und warf ihr einen vorsichtigen Blick zu. Er hatte langsam vorgehen wollen, damit sich Sybill erholen konnte, bevor sie über irgendetwas
diskutierten. Aber sie war offenbar bereits frisch genug.
»Du hast ein paar Gläser mehr getrunken als ich«, begann er.
»Du hast mich betrunken gemacht. Mit voller Absicht. Du bist hier eingestiegen, hast mich mit Blumen bestochen und mit Champagner abgefüllt.«
»Du kannst schlecht behaupten, ich hätte dir die Nase zugehalten und das Zeug in deine Kehle geschüttet.«
»Du hast eine Entschuldigung als Vorwand benutzt.« Sybills Hände begannen zu zittern. Sie stellte die Kaffeetasse geräuschvoll auf den Tisch. »Du musst gewusst haben, dass ich wütend sein würde. Aber du dachtest, mit einer Flasche Dom Pérignon könntest du mich leicht herumkriegen, damit ich mit dir ins Bett gehe.«
»Der Sex war deine Idee«, erinnerte Phillip sie. »Ich wollte mit dir reden. Tatsächlich warst du aber viel gesprächiger, als du beschwipst warst. So viel hätte ich sonst kaum aus dir herausbekommen. Also habe ich dich ein wenig aufgelockert.« Verdammt, er würde sich keine Schuldgefühle einreden lassen. »Und du hast mich eingeladen.«
»Mich aufgelockert«, sagte sie leise und stand wie in Zeitlupe auf.
»Ich wollte wissen, wer du bist. Das Recht habe ich.«
»Du hast …
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