Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Hafen der Träume: Roman (German Edition)

Titel: Hafen der Träume: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
alles geplant. Es war Berechnung. Du bist hier eingedrungen, gibst mir Champagner zu trinken, gerade genug, damit ich betrunken werde, und dann horchst du mich über die intimsten Einzelheiten meines Lebens aus.«
    »Du bist mir wichtig.« Phillip kam näher, doch Sybill schlug seine Hand weg.
    »Nein. Ich bin nicht so dumm, darauf noch einmal hereinzufallen.«
    »Doch, du bist mir sehr wichtig. Vor allem, nachdem
ich mehr von dir weiß und dich besser verstehe. Was ist daran schlimm, Sybill?«
    »Du hast mich überrumpelt.«
    »Vielleicht habe ich das wirklich.« Phillip nahm ihre Arme und umschloss sie fester, als Sybill sich loszureißen versuchte. »Warte einen Moment. Du hattest eine behütete privilegierte Kindheit. Ich nicht. Du stammst aus einer gebildeten, vornehmen und reichen Familie. Dir standen alle Türen offen. Mir nicht. Ich habe als Straßenjunge gelebt, bis ich zwölf Jahre alt war. Denkst du deswegen schlecht von mir?«
    »Nein. Aber das hat mit dem anderen Thema nichts zu tun.«
    »Mich hat auch niemand geliebt«, fuhr Phillip fort. »In den ersten zwölf Jahren. Deshalb weiß ich, wovon die Rede ist. Erwartest du, dass ich dich verachte, weil du die Herzenskälte deiner Eltern überlebt hast?«
    »Darüber werde ich mich nicht mit dir unterhalten.«
    »Das wird aber nicht mehr funktionieren, Sybill. Ich habe nämlich Gefühle für dich.« Phillip senkte den Mund auf ihre Lippen, drängte sie zu einem betörenden Kuss, und wieder begann der wirbelnde Tanz. »Auch wenn ich vielleicht noch nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Du hast meine Narben gesehen. Sie sind äußerlich. Jetzt kenne ich auch deine Narben.«
    Er tat es von neuem. Sybill fühlte, wie ihre Abwehr dahinschmolz, und mit der Schwäche kam das Verlangen. Sie könnte jetzt in Phillips Armen liegen, fest und sicher gehalten, den Kopf an seine Schulter gebettet. Eine Geste genügte, um ihn zu bitten. Aber es ging nicht.
    »Ich brauche dein Mitgefühl nicht.«
    »Liebling.« Phillip berührte mit dem Mund ihre Lippen, dieses Mal ganz sanft. »Doch, du brauchst es. Und du verdienst es. Ich bewundere dich für das, was du trotz allem aus dir gemacht hast.«
    »Ich habe zu viel getrunken«, wandte Sybill rasch
ein. »Deswegen klang meine Erzählung, als wären meine Eltern kalt und gefühllos gewesen.«
    »Haben sie dir jemals gesagt, dass sie dich lieben? Dein Vater oder deine Mutter?«
    Sybill öffnete den Mund, dann seufzte sie. »Bei uns herrschte eben ein zurückhaltender Stil. Nicht jede Familie ist wie deine. Nicht überall gehören Gefühlsausbrüche, Berührungen …« Sie brach ab, erschrocken darüber, wie aufgeregt und verteidigend ihre Stimme klang. Wozu, fragte Sybill sich müde. Wen wollte sie überzeugen?
    »Nein, keiner von ihnen hat das jemals zu mir gesagt. Oder zu Gloria, so weit ich weiß. Jeder einigermaßen kompetente Psychoanalytiker würde sofort den Schluss ziehen, dass Gloria und ich auf diese restriktive, kühle und überfordernde Atmosphäre mit entgegengesetzten Extremen reagiert haben. Gloria wählte wildes ungezügeltes Verhalten, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich habe mich angepasst, um Anerkennung zu bekommen. Gloria verwechselte Sex mit Liebe und Macht, und sie entwickelte Fantasien, von Männern in Autoritätspositionen begehrt und vergewaltigt zu werden, ihren leiblichen Vater und ihren Adoptivvater mit eingeschlossen. Ich mied Sex und die damit verbundene Intimität, aus Angst vor Fehlern. Und wählte ein Fachgebiet, bei dem ich aus sicherer Distanz meine Verhaltensstudien betreiben konnte – ohne die Gefahr emotionaler Verwicklungen. Ist das deutlich genug?«
    »Entscheidend ist das Wort ›wählen‹, würde ich sagen. Deine Mutter hat die Wahl getroffen, anderen wehzutun. Du hast gewählt, dir nicht wehtun zu lassen.«
    »Genau.«
    »Aber du konntest es nicht durchhalten. Bei Seth hast du riskiert, verletzt zu werden. Und du riskierst es mit mir.« Phillip berührte ihre Wange. »Ich will dir nicht wehtun, Sybill.«
    Wahrscheinlich war ihre letzte Chance längst vertan, dies zu verhindern, dachte Sybill. Immerhin wagte sie, den Kopf an Phillips Schulter zu lehnen. Um seine Umarmung brauchte sie nicht zu bitten. »Warten wir ab«, entschied sie.

KAPITEL 20
    Angst , schrieb Sybill, ist ein normales menschliches Gefühl. Und da es beim Menschen vorkommt, ist dieses Gefühl so komplex und so schwierig zu analysieren wie Liebe, Hass, Gier oder Leidenschaft. Emotionen mit ihren Ursachen und

Weitere Kostenlose Bücher