Hafen der Träume: Roman (German Edition)
geschehen. Der Brief enthält keinen Hinweis darauf, dass dein Vater wütend auf meine Mutter war. Es ging ihm nur darum, von ihr die Wahrheit zu erfahren. Er hätte sich auf jeden Fall um Seth gekümmert, aber er wollte dem Jungen zu seinem Geburtsrecht verhelfen. Kein Mann, der so entschieden für ein Kind kämpft, würde sich das Leben nehmen. Ein solcher Mann hat zu viel zu geben, und dein Vater war bereit dazu. Es tut mir so Leid.«
Phillip reichte die Briefe weiter. »›Der Junge braucht eine Chance und eine Wahl‹«, las Ethan und räusperte sich. »›Für Gloria konnte ich damals nichts tun, selbst wenn sie mein Kind ist. Heute würde sie nichts von mir annehmen. Aber ich sorge dafür, dass Seth beides bekommt, eine Chance und eine Wahl. Ob er mit mir blutsverwandt ist oder nicht. Er ist jetzt mein Sohn.‹ Das klingt nach Dad. Seth sollte den Brief lesen.«
»Warum war deine Mutter plötzlich einverstanden, Sybill?« fragte Phillip.
»Ich habe sie überzeugt. Auf diese Weise würde das Beste für alle Beteiligten erreicht.«
»Nein.« Phillip fasste Sybill am Kinn und hob ihr Gesicht. »Ich bin sicher, dahinter steckt mehr.«
»Ich habe meiner Mutter versprochen, dass ihr Name und alle Einzelheiten so vertraulich wie möglich behandelt werden.« Sybill bewegte sich unruhig. Dann atmete sie aus. »Und ich habe ihr gedroht, ich würde ein Buch über die ganze Geschichte schreiben, falls sie diese Erklärung nicht unterzeichnet.«
»Du hast sie erpresst.« Phillip war starr vor Bewunderung.
»Ich habe ihr eine Wahl gelassen. Entschieden hat sie sich selbst.«
»Das war schwer für dich.«
»Es war notwendig.«
Jetzt berührte Phillip sanft mit beiden Händen ihr Gesicht. »Es war schwer, tapfer und genial.«
»Es war logisch«, begann Sybill. »Und auch hart, ja. Meine Mutter und mein Vater sind sehr erzürnt über mich. Vielleicht vergeben sie mir nie. Sie sind dazu fähig.«
»Deine Eltern verdienen dich nicht.«
»Der entscheidende Punkt ist, dass Seth dich verdient. Also …« Sie verstummte, als Phillip ihr seinen Mund auf die Lippen presste.
»Jetzt mach schon. Rück zur Seite.« Cam stieß Phillip mit dem Ellenbogen weg und fasste Sybill bei den Schultern. »Das hast du gut gemacht«, sagte er und küsste sie mit einer Heftigkeit, dass sie blinzelte.
»Oh.« Mehr brachte sie nicht heraus.
»Du bist dran«, erklärte Cam und gab ihr einen sanften Schubs in Ethans Richtung.
»Meine Eltern wären stolz auf dich gewesen.« Er
küsste sie ebenfalls und klopfte Sybill auf die Schultern, als sich ihre Augen mit Tränen füllten.
»O nein. Das soll sie nicht tun.« Cam nahm ihren Arm und zog Sybill zu Phillip zurück. »Hier wird nicht geweint. Wir erlauben keine Tränen in unserer Werft.«
»Cam wird rappelig, wenn er eine Frau weinen sieht.«
»Ich weine nicht.«
»Das sagen sie alle«, murmelte Cam, »aber nie ist es die Wahrheit. Nach draußen. Wer weinen will, kann das draußen tun. Das ist eine neue Vorschrift.«
»Komm«, schmunzelte Phillip und zog Sybill zur Tür. »Ich möchte sowieso eine Minute mit dir allein sein.«
»Ich weine nicht. Ich war nur nicht darauf gefasst, dass deine Brüder … ich bin nicht gewöhnt …« Sybill unterbrach sich. »Es ist ein schönes Gefühl zu erfahren, dass man geschätzt und gemocht wird.«
»Ich schätze dich.« Phillip zog sie an sich. »Und ich mag dich.«
»Und ich mag es, wenn du das sagst.« Sybill erlaubte sich, Phillips Worte und seine Umarmung auszukosten. »Ich habe bereits mit deinem Anwalt und mit Anna gesprochen. Da ich Vertraulichkeit zugesichert habe, wollte ich die Unterlagen nicht vom Hotel aus faxen. Aber die letzte Erklärung dürfte genügen, um alles zum Guten zu wenden, darin sind sich Anna und der Anwalt einig. Anna glaubt, dass über deinen Antrag auf Erteilung des endgültigen Sorgerechts Anfang nächster Woche entschieden wird.«
»So bald?«
»Der Zustimmung steht nichts mehr im Weg. Cam, Ethan und du, ihr seid die rechtmäßigen Söhne von Professor Quinn. Seth ist sein Enkel. Von Seths Mutter liegt eine schriftliche Erklärung vor, in der sie auf ihre elterlichen Rechte verzichtet. Eine Zurücknahme zu diesem
Zeitpunkt könnte den Gerichtsbeschluss verzögern, aber an der Sache würde sich kaum etwas ändern. Mit elf Jahren ist Seth alt genug, damit seine Wünsche berücksichtigt werden. Anna macht sich dafür stark, dass Anfang nächster Woche eine Anhörung stattfindet.«
»Seltsam, wie sich alles
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