Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Stimme hatte eine beachtliche Resonanz. Als Romy ihr das erste Mal begegnete, war sie gerade dabei, zwei junge Polizisten auf Spur zu bringen, was die alles andere als erquicklich fanden, und Romy hatte augenblicklich an eine resolute Wikingerfrau gedacht. Später erfuhr sie, dass Fine den Vergleich schon häufiger gehört hatte, aber weder zutreffend noch sonderlich geistreich oder witzig fand, und Romy war heilfroh, eine entsprechende Bemerkung heruntergeschluckt zu haben. Wer es sich mit Fine verdarb, war selber schuld.
Als Romy am Montagmorgen in dem schmucklosen, dreistöckigen Polizeigebäude das Kommissariat betrat, beendete Fine gerade ein Telefonat mit dem Rechtsmedizinischen Institut in Greifswald.
»Kaffee ist fertig«, dröhnte sie statt einer Begrüßung. »Der Richardt liegt bereits auf dem Tisch. Das ging richtig schnell. Die melden sich, sobald es was zu berichten gibt.«
Angesichts des vergleichsweise besonderen Falls hatte Romy sich eigentlich eine emotionalere Reaktion von Fine vorgestellt, doch die agierte wie immer und typisch rüganisch: pragmatisch und tatkräftig.
»Okay. Kasper schon da?«, gab Romy ebenso karg zurück und goss sich eine Tasse Kaffee ein.
»Er ist von zu Hause gleich ins Geschäft vom Richardt gefahren – das ist ja bei ihm um die Ecke am Marktplatz – und will die Angestellten befragen. Ich hab noch einen Uniformierten zur Unterstützung hingeschickt.«
»Gute Idee.«
Romy ging in ihr Büro, das direkt vom Gemeinschaftsraum abzweigte, schloss die Tür und sah einen Moment aus dem Fenster. Der kleine Sportplatz lag verlassen unter ihr. Sie setzte sich an den Schreibtisch und notierte ihre Eindrücke von den ersten Befragungen mit Thomas Bittner und Vera Richardt.
Eine halbe Stunde später steckte Kasper den Kopf zur Tür herein. »Der Laptop ist komplett leer«, erklärte er nach flüchtigem Morgengruß und zog den Kopf wieder zurück.
»Wie bitte?« Romy stand auf und folgte ihm.
»Da ist nicht mal ein Betriebssystem drauf«, ergänzte Kasper mit Grüblermiene. »Ich hab das Teil gestern Abend noch einem Techniker vorbeigebracht, bei dem ich was gut habe. Der hat gleich einen Blick drauf geworfen und fand das auch ungewöhnlich.«
Schneider versorgte sich mit Kaffee, und sie setzten sich an den großen Tisch in der Mitte des Raums. Fine hatte Zeit gefunden, eine Schale mit Obst und etwas Gebäck bereitzustellen.
»Vera Richardt hat berichtet, dass ihr Mann den Laptop gerade erst gekauft hat und am Wochenende neu einrichten wollte. Vielleicht hatte er doch noch nicht damit angefangen«, überlegte Romy. »Allerdings werden die Dinger doch heutzutage mit einer Grundausstattung aller möglichen Programme verkauft, die bereits vorinstalliert sind.«
Kasper nickte. »Das ist der Punkt. Der Techniker vermutet, dass die Platte komplett gelöscht, also formatiert wurde, und zwar richtig – da lässt sich nichts mehr wiederherstellen.«
»Schade.«
»Sehe ich auch so.« Schneider stellte seine Tasse ab. »Können wir aber nicht ändern. Dafür hat mir die Sekretärin von Richardt eine lange Liste mit Namen zusammengestellt: Sportkollegen, Geschäftsfreunde, Kunden, aktuelle Aufträgeund so weiter. Und den E-Mail-Verkehr der letzten zwei Wochen hat sie mir auch überlassen.«
»Wenigstens etwas. Vielleicht findet sich ja irgendein Hinweis. Wie läuft der Laden denn so?«, fragte Romy.
»Gut. Bestens sogar. Die haben dicke Auftragsbücher und sind völlig von den Socken«, erwiderte Kasper. »Der stellvertretende Geschäftsführer ist fast aus den Latschen gekippt – ein ziemlich junger Kerl, der den Laden jetzt weiterführen muss.«
»Bekleidet Richardts Frau da eigentlich irgendeine Funktion?«
Kasper schüttelte den Kopf. »Sie hat mit den Geschäften kaum was zu tun, hat man mir gesagt, kriegt aber ein Gehalt. Sie kümmert sich um Repräsentatives, wie es so schön heißt.«
»Super«, kommentierte Romy. »Und dafür kriegt sie das Gehalt? Oder eher aus steuerlichen Gründen?«
»Tja ...«
»Aha. Und in der Firma kann sich niemand vorstellen, wer ein Motiv gehabt haben könnte? Irgendwelche Mutmaßungen?«
Schneider schüttelte den Kopf. »Der Mann war beliebt und wurde geschätzt, von Männern und Frauen. Der hätte sich als Ortsbürgermeister zur Wahl stellen können – egal, für welche Partei, er hätte viele Stimmen bekommen.«
Romy lächelte. »Verstehe. Was ist eigentlich mit seiner Familie? Hat er Geschwister? Leben die Eltern noch?«
Kasper
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