Hafenmord - ein Rügen-Krimi
dafür, seinen Einstiegsjob zur vollen Zufriedenheit zu erledigen, mehr noch: so bravourös, dass niemand sich vorstellen konnte, ihn je abseits seines Computers einzusetzen.
Beate Lauber stand ganz weit oben auf der Liste, nachdem Max die Ergebnisse der ersten Abfrage sortiert hatte – gefolgt von etlichen anderen Namen. Einige davon erwiesen sich bei der Recherche als aufgeklärte Fälle, entweder weil die Frauen Opfer eines Verbrechens oder eines tragischen Unglücks geworden oder nach einer Entführung zurückgekehrt waren.
Zwei Fälle erregten Maximilians Aufmerksamkeit, weil die Frauen nach der Rückkehr in ihre Familien ähnlich klingende Aussagen gemacht hatten: Maria Bernburg aus Greifswald war im Frühjahr 1995 für knapp zwei Wochen verschwunden, und Mirjam Lupak, die aus Stralsund stammte, hatte sich im Herbst 2005 zehn Tage in den Händen eines Entführers befunden.
Die Ereignisse lagen zeitlich weit auseinander, dennoch hatte die Polizei bei ihren damaligen Nachforschungen einen Zusammenhang zwischen dem Lupak- und dem Bernburg-Fall vermutet – ohne jedoch zu einem Ergebnis zu kommen, geschweige denn einen Verdächtigen ins Auge zu fassen. Die Ermittlungen verliefen seinerzeit im Sande.
Max speicherte die Fälle in seiner Datenbanktabelle ab. Man konnte nie wissen.
Heinrich Lauber saß am Fenster im Gemeinschaftsraum und las Zeitung. Ein kleiner knorriger Mann mit schlohweißem raspelkurzem Haar und Schnauzbart. Seine Gesichtsfarbe zeugte von frischer Luft und Sonne. Er sah hoch, und Romy traf ein forschender Blick aus schmalen stahlblauen Augen, in denen Intelligenz und Wachheit um die Wette funkelten.
»Morgen, Herr Lauber«, sagte sie lächelnd. »Dürfen wir uns einen Augenblick zu Ihnen setzen?«
Laubers Blick wanderte hinüber zu Kasper. Der grüßte ebenfalls.
»Kommt drauf an«, erwiderte Lauber und fixierte wieder Romy. »Wollen Sie schon wieder eine Befragung durchführen?«
»Was für eine Befragung?«
»Zufriedenheit hier im Heim und so weiter. Statistischer Kram für den MDK.« Er betonte die einzelnen Buchstaben mit unüberhörbarer Verächtlichkeit. »Da hab ich keinen Bock drauf. Wenn mir was nicht passt, sag ich das den Leuten selbst – das können Sie wohl annehmen.«
»Tue ich gerne. Nee, deswegen sind wir nicht hier.«
»Sondern?«
»Wir kommen aus Bergen«, sagte Romy und stellte Kasper und sich kurz vor. »Kriminalpolizei. Unter Umständen können Sie uns weiterhelfen.«
Lauber straffte die Schultern und schüttelte entrüstet den Kopf. »Ich rede nicht mit der Polizei – unter gar keinen Umständen. Sie können sich gleich wieder vom Acker machen.«
Er wies in Richtung Tür, für den Fall, dass die Kommissare vergessen haben sollten, wo sich der Ausgang befand.
»Wir bearbeiten einen schwierigen Fall, bei dem das Verschwinden Ihrer Enkelin eine Rolle spielen könnte, und wir brauchen Ihre Unterstützung«, ergänzte Romy unbeirrt.
Lauber verschränkte die Arme vor der schmalen Brust. »Ihr Problem. Sie können mich ja mal versuchen vorzuladen.« Er schlug mit dem Handrücken auf die erste Seite seiner Zeitung und schüttelte erneut den Kopf. »Gehen Sie!« Sein Ton war unmissverständlich.
»Herr Lauber …«
Sein Kopf schnellte vor. »Ich habe im Zuchthaus Bützow-Dreibergen gesessen, nachdem mich zwei Polizeischüler verhaftet, ein ausgesuchter Staatsanwalt angeklagt und ein für die ›Aktion Rose‹ eingesetzter Richter verurteilt hatte. Und später hat sich niemand verantwortlich gefühlt für den ganzen Scheiß, den man mir angetan hat! Mit euch habe ich nichts mehr zu schaffen«, fuhr er sie scharf an und zeigte mit einem knochigen Zeigefinger auf sie. Seine Hand zitterte.
»Das verstehe ich, aber es geht auch um Ihre Enkelin. Sind Sie nicht daran interessiert …?«
»Nein. Sie ist längst tot. Das weiß ich. Und nun gehen Sie endlich!«
Damit wandte er den Blick ab und blätterte laut raschelnd um. Zwei Tische weiter warf eine weißhaarige Frau Lauber einen missbilligenden Blick zu, bevor sie aufstand und kopfschüttelnd das Weite suchte.
Romy musterte Heinrich Lauber einen Moment, dann griff sie kurzerhand einen Stuhl vom Nebentisch, schob ihn an Laubers Tisch und setzte sich ihm gegenüber. Kasper holte tief Luft.
Lauber hob ruckartig den Kopf. »Sie können mich nicht zwingen, aber ich kann Sie …«
»Ich weiß – völlig klar. Sie können uns rausschmeißen lassen, und zwar jederzeit. Aber bevor Sie das tun, gewährenSie mir einen
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