Hafenmord - ein Rügen-Krimi
Nordosten der Insel einen Kriegshafen auszubauen und darüber hinaus eine sogenannte Schutzzone Ostsee einzurichten. Kurzum, die Immobilien wurden also gebraucht: für die Armee, Arbeiter, Polizei. So hat man die Geschäftsinhaber in einer Nacht- und Nebelaktion kurzerhand wegen angeblicher Wirtschaftsvergehen eingesperrt, verurteilt und enteignet. Das war Anfang 1953 und nannte sich, wie gesagt, ›Aktion Rose‹. Immerhin: Die Verbrecher haben sich wenigstens eine hübsche Bezeichnung ausgedacht, findest du nicht?«
Romy schluckte. »Sag es durch die Blume, oder was? Und wie ging es weiter?«
»Nach dem Volksaufstand am 17. Juni wurde eine ganze Reihe der Verurteilten wieder freigelassen, ohne dass man sie jedoch rehabilitierte«, setzte Kasper seinen Bericht fort. »Viele haben die DDR damals verlassen. Von denjenigen, die geblieben sind, bekamen einige wenige die Möglichkeit, ihre Häuser teilweise wieder als Hotels zu nutzen. Sie waren jedoch gezwungen, sie zu den staatlich verordneten Niedrigpreisen zu vermieten, womit der Verfall vorprogrammiert war. Nach der Wiedervereinigung wurden die Geschädigten dann zwar rehabilitiert, aber den materiellen Schaden hat man ihnen nicht ersetzt.« Kasper schwieg einen Moment.
»Und Lauber war ein Geschädigter?«, riet Romy.
»Kann man so sagen. Heinrich Lauber war 1953 dreißig Jahre alt. Ihm gehörte ein hübsches kleines Strandhotel hierin Glowe, das er gemeinsam mit seiner Frau betrieben hat«, fuhr Kasper fort. »Die beiden hatten einen Sohn. Man hat Lauber eingesperrt und sein Hotel kassiert. Als er aus dem Gefängnis zurückkam, hatte man es zweckentfremdet. Er stand vor dem Nichts, bestand aber darauf, in Glowe zu bleiben. Seine Frau hat die Situation nicht ertragen und ist mit dem Sohn zu Verwandten nach Rostock gezogen. Nach der Wende hat Heinrich eine Rückübertragung beantragt, worauf man ihm nach langem Hin und Her mit der Treuhand das Haus zum Verkehrswert angeboten hat. Das konnte er sich aber trotzdem nicht leisten. Einen Kredit bekam er nicht – immerhin war er schon Ende sechzig. Ein Wessi hat schließlich den Zuschlag bekommen. Das Hotel dürfte längst eine Goldgrube sein.«
»Ach du Scheiße.« Romy fiel kein anderer Kommentar ein.
»Du sagst es. Es ist also ziemlich gut nachvollziehbar, dass Heinrich Lauber abweisend auf Polizisten reagiert. So war es damals auch, als wir Amtshilfe für die Rostocker Kollegen leisteten und ihn nach seiner Enkelin befragten.«
Kasper atmete tief durch. Romy konnte sich nicht erinnern, ihn je länger an einem Stück reden gehört zu haben. Er wirkte regelrecht erschöpft.
»Eine miese Geschichte«, bestätigte sie. »Zeitlich und vom Alter her könnte Beate Lauber durchaus zu dem Skelett passen, aber wäre es nicht besser, die ersten fundierten rechtsmedizinischen Ergebnisse abzuwarten und mit anderen Vermisstenfällen abzugleichen? Ich finde, wir haben ein bisschen wenig, um den alten Herrn damit aufzuschrecken …«
Kasper rieb sich das Kinn. »Der war schon damals davon überzeugt, dass ihr was passiert ist.«
»Wie meinst du das?«
»So drückte er sich aus – ich erinnere mich noch ziemlich genau daran: Die lebt nicht mehr, hat er gesagt. Die habensie erledigt. Dann warf er uns die Tür vor der Nase zu und …«
»Wer ist die?«, fiel Romy ihm ins Wort.
»Das ist die Frage. Seinerzeit habe ich diese Bemerkungen Heinrichs Aufregung und seiner tiefsitzenden Verbitterung zugeschrieben, ohne mir andere Gedanken dazu zu machen. Doch jetzt finde ich es wichtig, dass wir ihn noch einmal befragen, wann Beate bei ihm war, was sie unternommen hat und so weiter. Vielleicht entdecken wir einen Hinweis.«
»Der Mann ist heute achtundachtzig, wenn ich richtig gerechnet habe«, wandte Romy vorsichtig ein.
»Hast du. Manche sind mit sechzig schon vergreist oder sogar mit vierzig oder kommen so zur Welt, andere laufen erst mit achtzig zur Hochform auf«, gab Kollege Schneider zu bedenken.
Romy musterte den Kollegen. Die Angelegenheit war ihm auffallend wichtig.
»Na gut, reden wir mit ihm«, stimmte sie zu. »Wir halten uns aber bedeckt, was das Skelett angeht.«
Kasper nickte.
»Wo wohnt der Mann jetzt?«
»Gleich um die Ecke in einem Altenheim vom Roten Kreuz. Ich habe mit der Chefin schon mal kurz telefoniert«, erläuterte Schneider. »Sie ist einverstanden, dass wir den alten Herrn besuchen und ein Gespräch in Gang zu setzen versuchen. Aber sie wirft uns achtkantig wieder raus, wenn wir den Heinrich
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