Hafenmord - ein Rügen-Krimi
verärgern. Hat sie gesagt. Und wir können davon ausgehen, dass sie meint, was sie sagt, und tut, was sie ankündigt.«
Jedes Jahr verschwanden in Deutschland Tausende von Menschen jeder Altersgruppe. Die meisten tauchten innerhalb kurzer Zeit wieder auf, einige fielen einem Verbrechenzum Opfer oder verunglückten, andere waren auch nach Jahren wie vom Erdboden verschluckt, und manch einer wurde nie als vermisst gemeldet.
Um dem Skelett im Sassnitzer Hafen möglichst schnell auf die Spur zu kommen, hatte Maximilian Breder eine IN-POL-Datenbank-Abfrage erstellt, mit der er auf bundesweite wie auch länderspezifische Falldaten zurückgreifen konnte. Dabei ordnete er den Basisinformationen – weiblich, zum Zeitpunkt ihres Verschwindens zwischen Anfang zwanzig und Ende dreißig Jahre alt – ein regionales Raster zu, das sich zunächst auf Mecklenburg-Vorpommern beschränkte, aber jederzeit erweitert werden konnte. Den Zeitraum des Verschwindens hatte er mit acht bis achtzehn Jahren bewusst großzügig gewählt.
Maximilian Breder liebte die Arbeit mit Datenbanken. Die Entwicklung von ausgeklügelten und präzise formulierten Filterfunktionen, die auf direktem Weg zu Antworten führten, zu denen die Fragen noch gar nicht gestellt waren, faszinierte ihn zutiefst. Er hätte eine weitschweifige Abhandlung über die Wichtigkeit von Bedingungssätzen und Überschneidungs-Abfragen schreiben können, wobei er in einem gesonderten Kapitel nahezu leidenschaftlich auf die seiner Ansicht nach oft vernachlässigten Feinabstimmungs- und Aktualisierungsprozesse eingegangen wäre; und einmal mit einer Aufgabe betraut, ließ er nicht wieder locker, bis der Fall abgeschlossen war.
Der junge Kommissar arbeitete sich beeindruckend schnell durch riesige Aktenberge beziehungsweise Datenmengen, um die für den jeweiligen Fall relevanten Informationen herauszufiltern und in komplexe Zusammenhänge einfließen zu lassen oder diese überhaupt erst zu ermöglichen. Er war gescheit und hochmotiviert, seine schnelle Auffassungs- und Kombinationsgabe wurde gerühmt und geschätzt, und er hatte diesbezüglich, und zwar nur diesbezüglich,viele Neider. Doch im Außendienst galt er als Null und Witzfigur, und während der Ausbildung hatte er es nicht gerade leicht gehabt.
Breder grauste es vor der direkten Auseinandersetzung mit Kriminellen oder auch nur Verdächtigen, am Tatort und in der Pathologie wechselte seine Gesichtsfarbe grundsätzlich ins Buttermilch-Grünliche, und er gehörte stets zu den Ersten, die würgend aus dem Raum stolperten. Am Schießstand erreichte Maximilian zwar passable Ergebnisse, und seine Fitnesswerte waren ganz okay, aber damit hatte es sich dann auch schon.
Wenn ihn jemand fragte, warum er zur Kripo gegangen war, antwortete er in der Regel im Brustton der Überzeugung, dass Verbrechen für ihn nichts anderes als eine Wissenschaft war, der er sich mit den Mitteln der hochkomplexen Datenerfassung zu nähern versuchte.
Toughe Kommissare gab es genug. Raffinierte Psychologen und Profiler mittlerweile auch. Verhörprofis, die meinten, bereits den Ansatz einer Lüge am verräterischen Zucken einer Augenbraue erkennen zu können, waren längst ein alter Hut. Aber Spezialisten, die alle im Laufe eines Falls zusammengetragenen Informationen in einer stetig wachsenden Datentabelle sammelten und daraus wichtige Hinweise für eine schlüssige Ereigniskette ableiten konnten, waren selten.
Seine letzte Freundin war begeistert gewesen, als Max ihr von seinem Berufsverständnis und den Anforderungen seines Aufgabenbereichs vorgeschwärmt hatte. Natürlich hatte er nicht erwähnt, dass ihn die meisten seiner Kommilitonen während der Ausbildung in Schwerin kaum ernst genommen hatten, sobald es um Ermittlungen und Einsatzfragen abseits des Schreibtisches ging, und auf seine beliebtesten Spitznamen – Listen-Max oder Raster-Breder – hatte er auch nicht hingewiesen.
Seine Lehrer hatten sich mehr als einmal gefragt, ob es eine vernünftige Idee war, Breder zum Kriminalbeamten auszubilden, und Max hatte ihre Bedenken durchaus nachvollziehen können. Glücklicherweise waren seine Vorgesetzten bislang weder in Schwerin noch in Stralsund auf die Idee gekommen, den zarten Max in den Einsatz zu schicken. Er klebte an seinem Schreibtisch, und da die überwiegende Mehrzahl seiner Kollegen genau das nicht anstrebte, waren alle glücklich mit dieser Arbeitseinteilung.
Max hoffte, dass es in Bergen genauso sein würde, und tat alles
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