Hafenmord - ein Rügen-Krimi
sollte Kai meine damalige Freundin entführen?« Er schluckte. »Die kannten sich doch gar nicht.«
»Doch. Kai hat Mirjam in der Tierarztpraxis gesehen. Seine Firma ist dort tätig geworden. Sie war sein Typ.«
Fast wäre Beier aufgesprungen. Er umfasste die Tischkante.
»Reden Sie nicht so!«, fuhr er die Kommissarin an. »Sie wissen nicht, in welcher Verfassung Mirjam damals war! Ich dachte, sie überlebt das nicht. Aber sie war stark genug, gerade so. Dafür ging unsere Beziehung baden, und wie es manchmal in ihr aussieht, will wirklich niemand wissen.«
»Woher wissen Sie es denn? Ich denke, Sie haben keinen Kontakt zu ihr.«
»Ich vermute, dass es so ist. Als wir uns trennten, ging es ihr verdammt schlecht, und so eine Sache überwindet man nicht … auch nicht nach Jahren. Wahrscheinlich nie.«
Da hat er wohl recht, dachte Romy. »Eine andere Frau, die mit ziemlicher Sicherheit auch ein Opfer von Richardt gewesen ist, hat sich umgebracht, wie Sie wahrscheinlich im Zusammenhang mit Mirjams Entführung damals mitbekommen haben«, erläuterte Romy. »Und eine dritte Frau wurde von Kai erschlagen – nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der er vor wenigen Tagen selbst sein Leben lassen musste.«
Tim Beier starrte sie entgeistert an. Ein Schwall von Mitgefühl durchströmte Romy. Sie versuchte es zu ignorieren.
»Ist das Ihr Ernst?«
»Natürlich.«
»Mein Gott.«
»Herr Beier, die Sache sieht folgendermaßen aus: Wenn ich Ihnen nachweisen kann, dass Sie von Richardts dunklen Geheimnissen Kenntnis hatten …«
»Ja – dann hätte ich ein Motiv, das ist mir klar«, unterbrach Beier sie mit bitterer Stimme. »Natürlich hätte ich das. Und eines sage ich Ihnen: Hätte ich damals erfahren, dass er der Täter war, dann wäre die Sache längst über die Bühne. Ich hätte nicht lange gefackelt, das können Sie mir glauben. Aber jetzt, nach so langer Zeit …«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich habe nichts damit zu tun. Aber wer immer dafür verantwortlich ist, hat bei mir jederzeit ein Essen frei – lebenslänglich und auf Wunsch auch bei Kerzenschein. Und mir braucht auch niemand Bescheid zu geben, wann Kais Beerdigung ist. Ich ginge höchstens hin, um auf sein Grab zu spucken – natürlich nur für den Fall, dass Ihre Vermutungen zutreffen.«
»Ihre Exfreundin drückte sich ganz ähnlich aus.«
»Mit der haben Sie auch schon gesprochen?«
»Natürlich. Und mit ihrem Mann werden wir auch sprechen und mit Ihrer Freundin, falls …«
»Vergessen Sie es. Ich bin zurzeit Single.«
Romy nickte. »Kommen wir noch mal zurück auf den Chip.«
»Nicht schon wieder!«, entgegnete Beier empört. »Wenn Sie wollen, setzen wir uns an einen PC, ich rufe die Website auf, und wir können anhand meiner Startnummer sofort nachprüfen …«
»Dass ihr Chip unterwegs war – ja. Und?«
Tim Beier starrte sie perplex an. »Sie meinen …?«
»Warum nicht? Irgendein Kumpel trägt Ihren Chip und Ihre Startnummer durch Berlin. Was spricht dagegen, wenn man wirklich unbedingt ein Alibi braucht?«
»Keiner meiner Kumpel läuft diese fantastische Zeit, das ist das eine«, wandte Tim triumphierend ein, nachdem erdie Überraschung abgeschüttelt hatte. »Das andere: Unterwegs werden immer wieder Fotos gemacht und ins Netz gestellt, wenn man sich einverstanden erklärt hat.«
»Und? Haben Sie sich einverstanden erklärt?«
»Ja, klar. Ich zelebriere meine Läufe – ist ja auch unter anderem mein Job. Und die Fotos von mir sind klasse, das können Sie mir glauben.«
Romy nickte. Gegen ihren Willen musste sie plötzlich lächeln, und sie spürte Kaspers Seitenblick.
»Wann fiel der Startschuss für die Läufer?«, fragte sie weiter.
»Um elf Uhr.«
»Das ist spät.«
»Stimmt – viel zu spät, zumal es so ungewöhnlich warm war, fünfundzwanzig Grad oder so. Da sind einige umgekippt. Mir macht die Wärme nichts aus. Kälte übrigens auch nicht.«
»Freut mich für Sie. Demnach mussten Sie also spätestens gegen halb elf im Startbereich sein«, überlegte Romy. »Wie lange braucht man für die Strecke Berlin—Stralsund? Drei Stunden höchstens, oder? Noch dazu in aller Herrgottsfrühe. Das hätten Sie locker schaffen können.«
Tim Beier sah aus, als würde er Romy am liebsten einen Vogel zeigen. »Was soll denn der Quatsch? Ich denke, Richardt ist am Samstag verschwunden? Das stand zumindest in der Zeitung.«
»Ja, das ist richtig, aber er starb erst am Sonntagmorgen. Zeitlich kommt das ganz gut hin.
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