Hafenweihnacht
gründlichere Maßnahme kein Geld vorhanden ist, dann noch eine Ausbesserungsarbeit am Parkettboden in einem Büro ….«, er schickte ein Schweigen in den Hörer und wartete, ob seine neutralen Einlassungen eine Reaktion erzeugen würden. Zu hören war das markante Klicken der Computermaus, zwei-, dreimal das Klappern der Tastatur und dann ein »Mhm, ja …«.
Da schien sich jemand zu langweilen am anderen Ende, oder machte sich gar lustig über ihn. »Gut. Jetzt liegt uns eine umfangreiche Tabelle vor, in welcher wir die Anzahl der Fenster, der Türen, der Steckdosen, der Wasserhähne und so weiter und so fort angeben sollen.«
»Ja, die Liegenschaftsstatistik, mhm …«, kam es gelassen aus dem Hörer.
Kimmel hatte die Lippen aufeinandergepresst und schnaufte laut. »Aber diese Zahlen melden wir doch jedes Jahr und aufgrund der Baumaßnahmen dürfte doch klar sein, dass wir weder zusätzliche Fenster, Türen, Steckdosen oder Wasserhähne erhalten haben, es wurde auch nichts zugemauert, das Gebäude wurde auch nicht abgerissen oder neu aufgebaut, kurz und gut, es ist alles beim Alten geblieben. Wieso dann diese statistischen Fragen, die uns nur mit Arbeit belasten?«
Es entstand eine Pause. In Kempten wurde überlegt. »Ja, aber wo ist denn dann das Problem? Wenn sich nichts geändert hat, schickt doch die Zahlen vom letzten Mal und fertig.«
»Das geht aber nicht, weil ihr ein neues Programm einsetzt und wir deshalb damit befasst sind, alles wieder neu einzugeben. Das kostet Zeit, unnütze Zeit und ist gänzlich unsinnig, denn bei euch, bei der Zentralstelle, da sollte man doch alle Informationen haben. Ihr belastet uns mit unsinniger Arbeit, das will ich sagen.«
»Ich halte es für müßig, über die Sinnhaftigkeit unserer Anforderungen zu diskutieren und für die Behördenliegenschaftsverwaltungsdatenbank bin ich nicht verantwortlich, das kommt von ganz droben und alle Behörden müssen das verwenden, alle. Ich meine außerdem, es ist ja auch kein großer Aufwand die paar Zahlen einzutippen, oder?«
Im Geiste sah Kimmel Gommi vor sich, wie der mit zusammengekniffenen Augen durch Exceltabellen scrollte und Hundle dabei sein Leid klagte. »Es geht nicht um diese paar Zahlen. Wir bekommen ständig Tabellen zugesandt, die uns beschäftigen. Inzwischen brauche ich für diese Anfragen einen Mann.«
»Es könnte ja auch eine Frau machen«, kam es schnippisch aus dem Hörer.
»Ich halte es für Unsinn«, stellte Kimmel fest.
»Das dürfen Sie ja auch, aber ich mache auch nur meine Arbeit.«
Kimmel war am ersten Bollwerk der wehrhaften Bürokratie angelangt. Am ersten Wall jenes unzähmbaren Wesens, dessen erste Reaktion grundsätzlich der unschuldige und banale Verweis drauf war, ja nur seine Arbeit zu tun. Ein so trivialer wie genialer Schachzug, da er jedem Kritiker zuallererst ein schlechtes Gewissen bereitete.
Kimmel knurrte. Er wollte sich mit dem Kerl, dessen Namen er zudem noch nie gehört hatte, nicht herumstreiten und beendete das Gespräch, nicht ohne spüren zu lassen, dass er mit der letzten Antwort nicht zufriedenzustellen sein würde.
Er legte den Telefonhörer auf und dachte nach. Verbündete. Er würde Verbündete brauchen, wenn er gegen diesen Unsinn etwas unternehmen wollte. Mürrisch wandte er sich anderen Aufgaben zu.
Bald darauf flötete sein Telefon. Seit geraumer Zeit flötete es. Er hatte sich von Gommi ein alles durchdringendes Piepen in höchster Lautstärke einstellen lassen, damit er, gleich an welchem Ort der Dienststelle er sich befand, immer hören konnte, wenn er angerufen wurde. Das grässliche Geräusch hatte zu Unmut bei den Kollegen geführt, die jedes Mal aufschreckten, wenn es in seinem Zimmer klingelte. Lydia Naber hatte ihn nach einer Morgenbesprechung in sehr bestimmter Weise über die technischen Möglichkeiten informiert, die ein modernes Telefon bot. Sehr nachdrücklich nannte sie die Begriffe Anrufliste und Umleitung, und Stummschaltung.
Kimmel hörte noch zweimal dem sanften Ton zu und nahm dann ab. Auf dem Display war ersichtlich, dass der Anruf aus Kempten kam. Der Chef des ersten Bürokratiewalls meldete sich. Er hielt sich auch nicht mit langen Vorreden auf, bemühte sich nicht um eine sonderlich entspannte Gesprächsatmosphäre und ließ sogleich verlauten, dass er es nicht gut fände, dass er, Kimmel, seine Mitarbeiter von der Arbeit abhielt, indem er sie in Gespräche über den Sinn ihrer Arbeit verwickelte. Zudem seien dies die falschen
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