Hafenweihnacht
richtig drauf gefreut.«
Schielin lächelte. Er sah sie vor sich in der abendlichen Küche beim Teig ausrollen. Das hatte etwas Friedliches.
Sie fragte: »Und du? Hast du wenigstens einen guten Gedanken gehabt, der uns weiterbringt?«
»Oh … ich weiß nicht, ob er uns weiterbringt. Aber mir geht es ähnlich wie dir. Ich war auch bei einer völlig anderen Sache. Laura studiert ja inzwischen in Konstanz und zieht aus der WG in ein eigenes kleines Zimmer. Ich wollte morgen mit dem Eselhänger nach Konstanz, um die Möbel umzuziehen, und den ganzen anderen Kram. Das wird nun wohl nichts. Habe gerade darüber nachgedacht, wie ich das hinkriege.«
Lydia Naber lachte kurz. »Wir sind vielleicht tolle Ermittler … aber etwas habe ich wenigstens rausbekommen. Jochen Drohst hat eine Schwester – Britta Drohst – und die beiden trugen einen Rechtsstreit über Anwälte miteinander aus; soweit ich das aus den Akten habe entnehmen können, ging es um das Haus in Nonnenhorn. So ganz schlau bin ich aber aus der Sache nicht geworden, also worum es dabei genau ging, und wer von beiden was bezweckte. Das ist ja immer so bei solchen Familienstreitigkeiten – irgendwann lässt sich kaum noch herausfinden, worum es im Grunde gegangen war«, sie unterbrach und stöhnte, so als verbände sie eigene Erfahrungen damit, »… diese Britta Drohst wohnt in Ulm und ich habe die Kollegen dort informiert. Sie sollen die Nachricht vom Tode ihres Bruders überbringen und wenn möglich alle Daten von ihr aufnehmen. Eine Telefonnummer habe ich nicht finden können.«
Von vorne waren die Stimmen von Gommi, Kimmel und Wenzel zu hören. Endlich war ein Ende des Tages in Sicht. Alle beeilten sich in den Besprechungsraum zu kommen, um die Angelegenheit nicht künstlich in die Länge zu ziehen.
»War das eigentlich ein Lindauer, der Drohst?«, fragte Gommi.
Lydia ließ sich zu einer grundsätzlichen Stellungnahme hinreißen. »Ohhh. Die Frage ist so schnell und einfach nicht zu beantworten. Dazu müsste man eingehend in den standesamtlichen Unterlagen und Kirchenbüchern der letzten Jahrhunderte recherchiert haben, denn wie wir alle wissen, gilt als Lindauer erst, wer in dritter Generation auf der Insel geboren worden ist.«
Robert Funk rümpfte die Nase. »So? Ist das inzwischen so locker geworden? Na ja, völliger Sittenverfall und Respektlosigkeiten gegenüber alten Werten und Traditionen. Lindauer kann im Grunde nur sein, an dessen Haus die Namensfolge seit dem letzten Reichstag vermerkt ist.«
*
Wenzel hatte alle Unterlagen vorbereitet und betrat das Besprechungszimmer. Er sah erschöpft aus und jammerte, dass ihn das Autofahren so angestrengt hätte, weil es dunkel gewesen sei und die Lichter blendeten.
Das Mitleid, das ihm entgegengebracht wurde, hielt sich in Grenzen. Nur Hundle hatte den Kopf gehoben und ihn fragend angesehen.
Robert Funk, der die Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes bemüht hatte, informierte die anderen, dass auf den Namen Jochen Drohst kein Fahrzeug zugelassen war.
Lydia Naber wendete sich an Wenzel. »Wer hat denn die Obduktion durchgeführt, deine Allerliebste?«
Er verneinte. Ein Pathologe der Rechtsmedizin aus Ulm hatte das übernommen und Wenzels Frau war für ein verlängertes Wochenende zum Skifahren an den Arlberg gefahren.
Lydia Naber sah verträumt zur Decke. »Ach Wenzel, das war eine so schöne Hochzeit, so schön. Und das Wetter … es kommt mir vor, als wenn es ewig her gewesen wäre, dabei sind es erst ein paar Monate.«
Robert Funk ließ einen wohligen Laut hören. »Oh ja, oh ja, meine Leber steht heute noch unter Stress. Dieses ganze französische Zeug … Jesus … ich glaube ja, das ist bei uns aus irgendwelchen Gründen verboten – wie so vieles eben. Ich kann Lydia nur zustimmen, auch wenn ich mich wiederhole, es war ein herrliches Fest. Es hat schon seine Vorteile, so eine Hochzeit im vorgerückten Alter – da kann man einladen wen man möchte, und nicht wen man muss. Vielleicht war es auch deshalb so gelungen.«
Gommi schaltete sich ein. »Also der Käs, der Käs, der ist bei uns ganz sicher verboten. Etwas was so ausschaut, so riecht, und dann so gut schmeckt, des ist bei uns verboten.«
Kimmel klopfte mit seiner Tasse zweimal auf die Tischplatte, um die Erzählungen an die Erinnerungen an Wenzels Hochzeit nicht ausufern zu lassen.
Lydia presste ihre Lippen aufeinander und schickte ihm einen strengen Blick über den Tisch. Hundle verlagerte sich von der Seite in die hintere Ecke
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