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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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Verletzungen am Kopf, die Prellungen und Schürfungen, die nicht postmortal entstanden sind, die weisen ja eher auf eine Auseinandersetzung, einen Kampf, zumindest ein Gerangel hin.«
    Lydia Naber schüttelte sich. »Ja du lieber Gott, stellt euch das mal vor. Der war doch schwer, dieser Jochen Drohst …«
    »Siebenundachtzig Kilo …«, ergänzte Wenzel.
    »Siebenundachtzig Kilo«, wiederholte sie betont, »… das ist doch irre, einen so schweren Menschen, dessen Kleidung noch dazu mit Wasser vollgesogen ist, aus dieser kalten Brühe zu holen. Das ist bei sommerlichen Temperaturen ja schon eine enorme Leistung. Wer immer das gewesen ist, der musste auch noch in dieses elend kalte Wasser und diesen Kerl da rauswuchten … das ist doch unvorstellbar … und niemand ruft die Polizei, die Feuerwehr, den Notarzt? Das kann ich mir im Moment gar nicht vorstellen, und eine solche Aktion, die will niemand mitbekommen haben? Unvorstellbar. Und wo ist der Kerl dann hinverschwunden, patschenass, in dieser Kälte. Das ist doch verrückt … verrückt.«
    Robert Funk fand das nicht so ganz unvorstellbar. »Ist eine wilde Geschichte, durchaus. Aber zu der Zeit? Nach Mitternacht ist doch nichts mehr los auf der Insel. Alle liegen in ihren Betten und pennen.«
    Schielin fiel der schwarze Audi ein, den der Nachtportier des Bayerischen Hofs gesehen hatte.
    Lydia machte weiter. »Na ja, die Platzwunde am Hinterkopf könnte ja entstanden sein, als der Kerl, der Drohst aus dem Wasser geholt hat, den Toten am Steg abgelegt hat. Da war er ja schon tot.«
    »Genau so stellt sich das dar«, sagte Wenzel, dem die Diskussion das Wort abgeschnitten hatte.
    »Aber das ergibt doch keinen Sinn. Folgendes: Derjenige, der Drohst ins Wasser gestoßen hat, der lässt ihn erst ersaufen – das dauert ja doch seine Zeit, nicht wahr – und zwei, drei Minuten später springt er ins Wasser und holt den Toten raus, weil ihn die Reue überkommt, oder die Erinnerung an seine Konfirmation? Ne, also. Wer so gut drauf ist, dass er in dieses kalte Wasser springt, der macht das doch gleich und wartet nicht erst ab. Aus welchem Grund aber sollte er warten, bis die Lunge mit Wasser gefüllt ist und der Typ keinen Mucks mehr macht. Um ihn dann sorgsam am Steg abzulegen …«, sie unterbrach sich und wendete sich an Wenzel, »gab es eigentlich Anzeichen für eine Wiederbelebung?«
    Endlich konnte Wenzel zu einem wesentlichen Punkt kommen. »Gute Frage, gute Frage. Am besten ihr lasst mich zu Ende kommen. Also – was eine Wiederbelebung angeht, sie wäre nicht sonderlich effektiv gewesen. Am Brustbein liegt eine Quetschung vor und eine Art Rippenprellung, keine Brüche, der Kiefer war nicht überdehnt, die Zunge und so weiter – alles ohne Befund und keine verwertbaren Spuren. Aber es gibt etwas anderes. Eine böse Verletzung an der Hand, die uns vorher nicht in dieser Deutlichkeit aufgefallen ist. Die Haut aller Finger hatte Risse und Quetschungen. Das hatten wir ja gesehen. Aber: Kleiner Finger, Ring- und Mittelfinger der rechten Hand waren mehrfach gebrochen. Der Druck, der das bewirkt hat, kam von der Oberseite der Finger. Und da, auf der Oberseite von Ring- und Mittelfinger, konnte ein Muster gesichert werden – eine Stanzmarke. Es handelt sich um zwei gegenüberliegende Dreiecke. In der Handfläche befanden sich ebenfalls Abschürfungen, so als wäre die Hand an etwas Kantigem abgeglitten. Dann gab es noch eine Verletzung am Knie, ein Stanzmuster von fünfzehn mal fünfzehn Millimetern, was auf eine harte, vermutlich metallische Kante hindeutet, vielleicht ein Gitter oder eine herausstehende Schraube, so was in der Art. Könnte durch einen Sturz hervorgerufen worden sein. Um diese Verletzungen herum finden sich tief in das Gewebe reichende Hämatome, was bedeutet«, Wenzel machte eine Kunstpause, »als Drohst diese Verletzungen erlitt, war er noch am Leben. Im Unterschied zur Verletzung am Hinterkopf. Die wurde nicht Jochen Drohst zugefügt, sondern dem Leichnam Drohst. Der Rechtsmediziner hat das anhand der Ausbreitung der Hämatome, beziehungsweise anhand der Vorkommen von Hämatomen feststellen können. Ich werde mir morgen den Tatort noch mal ganz genau ansehen. Da muss es noch Spuren von einem Kampf geben. Wir können aber mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass dem armen Drohst jemand auf die Hand getreten ist, um zu verhindern, dass er aus dem Wasser herauskommt. So sehe ich das.«
    Lydia Naber machte es ganz nervös, trotz der Ergebnisse der

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