Hafenweihnacht
können.
Schielin wartete seitlich der Tür, bis sich die anderen beiden gegenüber postiert hatten, dann erst drückte er mit der Handfläche gegen die Wohnungstüre. Kein Ruckeln. Das Türblatt saß fest im Rahmen und rundherum waren weder Stemm- noch Hebelspuren zu sehen. Als er den Schlüssel vorsichtig in den Schließzylinder schob, dabei etwas verkantete und wackelte, konnte er kein Spiel im Zylinder feststellen. Auf illegalem Wege hatte sich demnach niemand Zugang zur Wohnung verschafft. Er drehte den Schlüssel ganz herum und drückte die Tür auf. Die Wohnungstüre war nur zugezogen worden und das Schloss war nicht gesperrt worden. Das musste er sich merken. Erst als er mehrfach »Hallo« gerufen hatte und keine Antwort aus der Wohnung erfolgt war, gingen sie vorsichtig und langsam in den kurzen Gang. Schielin machte Licht. Es roch muffig.
Er war kaum überrascht, als er die drei Räume der Dachwohnung mit ihrer kümmerlichen Einrichtung registrierte. Es kam ihm jetzt, da er es feststellte, seltsam vor, aber von diesem Toten hatte er im Grunde genommen nichts anderes erwartet. Ein wenig mehr hätte es schon sein können. Im Raum, der offensichtlich als Schlafzimmer diente, lag eine blanke Matratze auf dem Boden. Ein an den Kanten schon weicher Karton diente als Nachtkästchen. Kleidung lag ungeordnet im Raum verteilt.
Die Küche war vernünftig ausgestattet und war wohl Bestandteil der Wohnung gewesen; sie erweckte nicht den Anschein eines Provisoriums. Im Wohnzimmer stand verloren eine Dreiercouch, deren ehemals flauschiger Stoffbezug die Spuren eines langen und fordernden Couchlebens trug: Flecken, Abnutzungen, Löcher, Risse. Auf dem Beistelltisch standen benutzte Gläser zwischen Bier- und Whiskeyflaschen. Einige Umzugskisten stapelten sich an der Wand, daneben ein einfaches Holzregal, übervoll mit Büchern, Papieren, Aktenordnern und Papierstößen. Alles war voller Geraffel. Auf dem Teppich vor der Couch lag ein Notebook. Schielin entdeckte ein weiteres im Regal.
Vom Wohnraum aus leitete ein Durchgang in einen lichten Erker und von dort führte eine Treppe hinauf zum Dachgarten. Eigentlich eine schöne Wohnung, dachte Schielin – eigentlich.
Der dritte Raum diente ausschließlich als Lager für Umzugskisten und Kram. Lange konnte Jochen Drohst hier noch nicht wohnen. Allerdings schien er es auch nicht sonderlich vorangetrieben zu haben, heimisch zu werden. Welchen Grund konnte es für ihn geben, hier oben zu hausen, wo doch in Nonnenhorn ein so herrliches Anwesen leer stand?
Robert Funk stöberte mit Lydia im Lagerraum. Auch dort lagen zwei Notebooks herum.
»Der war vielleicht so ein Computerspielfreak«, meinte Lydia Naber und fixierte die Notebooks, »das sind keine alten Dinger … alle recht neu.«
»Notebooks, Notebooks, Notebooks … offenbar das Einzige, für das er Geld ausgegeben hat«, kommentierte Robert Funk, der gerade versuchte, seine Eindrücke aus dem Haus in Nonnenhorn mit jenen hier in der Wohnung in einen nachvollziehbaren Bezug zu stellen.
Schielin suchte im Regal des gegenüberliegenden Wohnzimmers nach Informationen, die über Jochen Drohst Auskunft geben konnten. Als Erstes fand er eine Rechnung von Vodafone, auf welcher die Handynummer aufgeführt war. Es war die Rechnung für den Monat Oktober und sie war bereits an die Linggstraße adressiert. Er holte sein Handy heraus und wählte die Nummer. Sofort erhielt er die Nachricht, dass der Teilnehmer nicht erreichbar wäre. Er ließ einen enttäuschten Laut hören. »Ahhh, schade.«
Lydia Naber fischte aus einem der Kartons im Abstellraum einen Aktenordner, in welchem der Schriftverkehr mit einem Anwalt abgelegt war. Daraus ergab sich, dass Jochen Drohst einen Rechtsstreit mit einer Frau Britta Drohst hatte. Sie notierte die Anschrift dieser Britta, eine Adresse in Ulm. Sie stöberte weiter in den Kartons, auf der Suche nach mehr Informationen über diesen Jochen Drohst.
Schielin hatte herübergerufen, dass er die Handynummer gefunden hatte und dass es ausgeschaltet sei.
Sie brauchten noch Erkenntnisse über das berufliche Umfeld und Bankdaten. Robert Funk war sich sicher – wer so viele Notebooks herumliegen hatte, der verwendete Bank- oder Kreditkarten. Und diese Kartendaten waren besonders wichtig, denn ihr Gebrauch lieferte äußerst aufschlussreiche Informationen über die Inhaber: finanzielle Verhältnisse, Interessen, Hobbys, Reisebewegung, Lebensstandard, Bildungsstand.
Schielin hatte seine Suche auf
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