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Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
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und ließ sich mit einem Ächzen auf den Boden fallen.
    »Dann wären wir ja nun komplett«, meinte Wenzel und warf einen suchenden Blick in sein Notizbuch. »Also die Bestimmung des Todeszeitpunkts hat einen relativ großen Zeitraum ergeben. Das liegt an den heftigen Temperaturentwicklungen in der Nacht und an der Kälte.« Er sah zu Kimmel. »Dieser … Jochen Drohst … so heißt er ja, wie ihr inzwischen herausgefunden habt, also dieser Jochen Drohst ist zwischen ein Uhr und vier Uhr zu Tode gekommen. So wird es im Gutachten stehen. Der Pathologe ist jedoch der Meinung, dass es eher in Richtung ein Uhr geht – Erfahrung, Gefühl und so, aber das kann er ja nicht ins Gutachten schreiben, dass ihn sein Gefühl auf den früheren Zeitpunkt weist, sonst gibt es am Ende bei der Gerichtsverhandlung Stress mit dem Rechtsanwalt. Die Info ist nur für uns, so als Anhalt.«
    Robert Funkt nickte zustimmend. Kimmel notierte mit und fragte: »Du sprichst von einer Verhandlung, einem Rechtsanwalt … dann steht also die unnatürliche Todesursache fest, samt Fremdeinwirkung?«
    Wenzel antwortete seltsam unbestimmt: »Davon muss man ausgehen, ja.«
    Schielin und Lydia warfen einander einen fragenden Blick zu. Wenzel verzichtete darauf gefragt zu werden, was er mit seiner Formulierung meine, und ging ins Detail. »Vorneweg – er hatte einen Blutalkoholgehalt von null sechs. Nicht sonderlich viel, aber immerhin. Es war längere Zeit her, dass er gegessen hatte, etwa fünf, sechs Stunden – Pizza. Nun zu den Verletzungen. Die am Schädel oberhalb des rechten Ohres war in keiner Weise geeignet den Tod herbeizuführen. Das hatten wir ja bereits vermutet. Die Verletzung rührt aus einer Einwirkung, die frontal von vorne erfolgt sein muss. Also kein Schlag, der im Halbrund gegen den Schädel gerichtet war, vielmehr wie ein gerader Stich, mit einem kantigen Gegenstand, der die Kopfhaut eingerissen hat. Die Kopfhaut ist nicht durch die Wucht eines Schlages geplatzt, sondern aufgerissen worden. Sieht schlimmer aus als es ist, und zum Tatwerkzeug liegen keine Erkenntnisse vor. Etwas Spitzes, Scharfes kann es auch nicht gewesen sein.«
    »Und woran ist er dann gestorben?«, fuhr Lydia Naber in die kurze Pause, die entstand. Es war mehr die laute Äußerung eines Gedankens, als dass sie von Wenzel umgehend eine Antwort erwartet hätte. »War er bewusstlos und ist erfroren?«
    »Nein, Jochen Drohst ist ertrunken«, lautete Wenzels trockene Aussage.
    Es dauerte eine Weile, bis die Konsequenzen dieser Feststellung, die er so belanglos erwähnt hatte, allen deutlich geworden war.
    Schielin fragte ungläubig nach: »Noch mal, Wenzel. Die Ergebnisse der Obduktion erbringen zweifelsfrei einen Tod durch Ertrinken?«
    »So ist es.«
    Lydia Naber sah kopfschüttelnd in die Runde. »Das kann doch nicht sein. Wie soll er denn erst ertrinken und dann auf den Steg gelangen? Das macht doch keinen Sinn? Seid ihr euch da sicher?«
    »Was heißt hier ihr ? Das ist die Aussage des Pathologen. Die Lunge war voller Wasser und es handelt sich dabei zweifelsfrei um das Wasser aus dem Hafenbecken. Ich weiß ja auch nicht, aus welchem Grund ich überhaupt die Kontrollprobe mitgenommen habe – Routine halt. Die Todesursache ist jedenfalls unstrittig: Tod durch Ertrinken. Und die Verletzung über dem Ohr ist ihm zugefügt worden, als er noch lebte, das belegen die Einblutungen im umliegenden Gewebe. Es gibt aber eine weitere Verletzung am Kopf, genauer gesagt am Hinterkopf. Da ist die Schädelhaut durch physischen Druck leicht aufgeplatzt – und das muss geschehen sein, als er bereits tot war.«
    »Das ist ja völlig verrückt«, meinte Lydia Naber, »habt ihr vielleicht auch was rausgefunden, mit dem man was anfangen kann?«
    Wenzel beruhigte, denn alle waren von seinem bisherigen Bericht irritiert. »Ja ja, kommt schon noch … es gibt da die eine oder andere Abschürfung und Prellung, aber das eignet sich alles nur für Interpretationen …«
    Er wollte gerade auf ein wichtiges Detail kommen, als Lydia ihn erneut unterbrach, denn ihre Gedanken waren schon weiter: »Es muss dann ja jemanden gegeben haben, der ihn aus dem Wasser geholt hat. Und zwar, als er schon tot war.«
    »Genau«, kommentierte Wenzel, der auf der gesamten Fahrt von Memmingen zurück nach Lindau die verschiedenen Varianten durchgespielt hatte.
    »Könnte vielleicht doch ein Unfall gewesen sein«, meinte Robert Funk.
    Schielin war skeptisch. »Die Umstände legen das nicht nahe. Die

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