Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hafenweihnacht

Hafenweihnacht

Titel: Hafenweihnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.M. Soedher
Vom Netzwerk:
Woche?«
    Schielin hatte sein Fragenpaket ruhig, gelassen und höflich abgestellt und wollte sehen, wie eloquent sein Gegenüber damit umgehen würde.
    Adrian Zugers Haltung veränderte sich äußerlich nicht erkennbar. Seine Gesichtszüge bekamen jedoch tiefe Furchen, die Zunge fuhr über die Lippen und die Finger seiner Hände griffen und kneteten einander. Es dauerte, bis er mit belegter Stimme antwortete: »Das tut mir leid, dass Jochen tot ist. Bitte verstehen Sie, dass ich das erst einmal verarbeiten muss, welche Botschaft Sie mir da gerade überbracht haben.«
    Adrian Zuger stand auf und ging zum Fenster. Er wendete Schielin den Rücken zu und sah hinüber zum See, über dem eine feine Dunstschicht schwebte, durch die die jenseitigen Ufer unsichtbar wurden.

    Das ist der Vorteil von Vernehmungsräumen, dachte Schielin, da steht niemand auf und wendet sich ab. Wohin auch? Der Wand entgegen, deren schmuddeliger Putz schon bröckelte. Diese seelenlosen Räume waren wie Schraubzwingen für unverdorbene Gemüter.
    Er behielt Adrian Zugers sportliche Erscheinung im Blick und stellte sich die Frage, weshalb er die Lust verspürte, ihn konfrontativ zu befragen? Er wollte doch lediglich Erkenntnisse über Drohst gewinnen. War es die geschäftsmäßig lockere Haltung dieses Zuger, seine freundliche Distanz, bei welcher man nicht wusste, was professioneller war – das auf Sympathie getrimmte Gehabe des Geschäftsmanns oder die Unnahbarkeit einer selbstbewusst agierenden Persönlichkeit. Oder ärgerte ihn dieser englischer Kauderwelsch, hinter welchem sich die banale Wahrheit verbarg, dass menschliche Eigenschaften katalogisiert, mit Zahlenkriterien versehen wurden, und am Ende lediglich eine mathematische Formel über das Schicksal eines Menschen entschied?
    Adrian Zuger begann, sprach ruhig und überlegt, ohne sich Schielin zuzuwenden. »Jochen Drohst war unser Chefmathematiker. Er war derjenige, der die fundamentalen Säulen unserer Software entwickelt hat – Algorithmen. Im Unternehmen war er für die Softwareentwicklung zuständig und verantwortlich, ich leite den betriebswirtschaftlichen und organisatorischen Bereich. Ich habe ihn zuletzt vor ungefähr vier Wochen gesehen. Kurz nachdem er uns verlassen hat. Um Ihre Frage vorwegzunehmen – es gab keinen Streit zwischen uns, keinen Vorfall irgendwelcher Art. Seine Entscheidung hat uns völlig überrascht und, das muss ich tatsächlich feststellen, sie hat uns bis zum heutigen Tag in großer Ratlosigkeit und in erheblichen Schwierigkeiten zurückgelassen. Ihre Frage nach der Privatperson Jochen Drohst, die macht mich auch ein wenig ratlos, denn ich weiß eigentlich gar nichts über sein Privatleben«, er drehte sich Schielin zu und schnaufte ein wenig genervt, »… und wo ich am letzten Donnerstag auf Freitag war, wollten Sie noch wissen. Können Sie den Zeitraum etwas näher eingrenzen?«
    »Von Donnerstagabend bis Freitagmorgen«, erläuterte Schielin.
    »Mhm. Am Donnerstag … da hatte ich einen Termin in Konstanz und bin erst sehr spät in der Nacht zurückgekommen.«
    »Haben Sie die Fähre von Konstanz nach Meersburg genommen?«
    »Ja … und Sie wollen den Beleg, nicht wahr?«
    »Den haben Sie doch sicher Ihrem Büro für die Steuerakten gegeben.«
    Adrian Zuger lächelte müde. »Ja, Sie bekommen ihn. Ich bin nach Mitternacht zu Hause gewesen und todmüde ins Bett gefallen. Bei dem Termin in Konstanz handelte es sich übrigens um Bewerbergespräche. Wir brauchen ja Ersatz für Jochen Drohst. Eine Wirtschaftspsychologin war dabei, die kann Ihnen das bestätigen. Ich lasse Ihnen Adresse und Kontaktdaten zukommen.«
    »Sie waren in jener Nacht alleine zu Hause?«
    »Ja. Meine Frau befindet sich derzeit bei ihrer Familie in Tübingen, wo auch unsere Tochter studiert, und kommt erst heute Abend zurück.«
    »Jochen Drohst verfügte über sehr hohe Geldbeträge. Können Sie uns dazu etwas sagen?«
    Adrian Zuger setzte sich wieder auf das Sofa. »Was verstehen sie unter hoch?«
    »Einige Hunderttausend Euro auf einem Bankkonto.«
    Adrian Zuger verzog die Lippen. »Wir sind eine sehr erfolgreiche Firma und er lebte in einer Welt der Zahlen, wusste, was er wert war. Mich wundert das nicht. Ich weiß zwar nicht, was er mit seinem Geld so angestellt hat. Er hat es mit ziemlicher Sicherheit nicht für Autos, Boote, Kleidung, Essen oder teure Weine ausgegeben. Gespielt hat er auch nicht und Frauen – nein, dafür hat er schon gar kein Geld ausgegeben. Er hält

Weitere Kostenlose Bücher