Hafenweihnacht
übrigens nicht veräußerbare Anteile an der Firma und da geht es um ganz andere Summen. Er war ein sehr reicher Mann, auch wenn man es ihm nicht angesehen hat.«
»Hatte er Freunde?«
Adrian Zuger lachte laut auf und ließ sich nach hinten fallen. Die Frage schien ihn wirklich zu amüsieren. »Herr Schielin, für ihn gab es das Wort Freund gar nicht. Er … war ein Mensch, der völlig unfähig war sozial zu interagieren. Er hatte keinerlei Kontakt zu Mitmenschen. Kein Verein, kein Hobby, keine Laster – nichts. Es gab keine Kontakte zu Mitarbeitern hier in der Firma und privat wird es nicht anders gewesen sein. Es war nicht nur so, dass er zurückgezogen lebte, nein, er war darüber hinaus ein ungemein schwieriger, teilweise jähzorniger und boshafter Mensch. Mit ihm zusammen zu sein, das war keine Freude. Verstehen Sie, was ich meine?«
Schielin verstand und sah das Zimmer im Dachgeschoss vor sich, in dem Drohst gelebt hatte. »Wie lange kannten Sie ihn schon?«
»Ich habe die Firma gegründet und Jochen Drohst ist seit Anfang an dabei – seit nunmehr vierzehn Jahren. Er hat sich mal rein privat mit Kryptografie befasst, wie ich auch. Da haben wir uns über ein Internetforum kennengelernt und ich habe sofort erkannt, welch ein Genie er war. Ich habe ihn sofort engagiert und er konnte arbeiten wo und wie er wollte, was er auch getan hat. Manchmal war er hier im Büro, die meiste Zeit aber woanders, zu Hause, oder sonstwo mit seinem Notebook. Sein Verhalten und Benehmen, das musste man tolerieren, weil er einfach verdammt gut in seinem Job war.«
»Ihre Firma war von ihm abhängig?«
»Nein. Anfangs schon. Inzwischen nicht mehr, wenngleich sein Fehlen schmerzt. Das ist schon so.«
»Wollte er diese Teilhaberschaft auflösen?«
»Nein. Die Anteile werden erst in einigen Jahren frei.«
»Kennen Sie seine Schwester?«
»Ich wusste, es gibt da eine Schwester. Sie scheinen nicht gut miteinander ausgekommen zu sein.«
»Was veranlasst Sie zu dieser Vermutung?«
»Ist schon eine Weile her, da habe ich ein Telefonat mitbekommen. Er hat sie fürchterlich beschimpft. Es ging um das Haus in Nonnenhorn.«
»Er hat dort ja nicht mehr gewohnt, nicht wahr?«
»Nein, er nicht. Er mochte das nicht und wollte es loswerden. Teufelsbude habe ich ihn mal sagen hören. Den Kontext bekomme ich nicht mehr zusammen. Seine Schwester, die wollte es wohl haben und darüber haben sie dann gestritten. Sie hat da manchmal gewohnt.«
»So?«
»Ja. Das weiß ich eben aus jenem einen Telefonat. Sie hat da ein Zimmer bewohnt und er wollte das nicht. Sie sollte da raus. Darum ging es.«
»Wann war das?«
»Oh je. Anfang des Jahres etwa. Aber nageln Sie mich nicht darauf fest. Wissen Sie … Jochen Drohst war ein Einzelgänger … schwierig.« Er stand abrupt auf. »Kommen Sie mit, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
Schielin folgte ihm und sie wechselten ein Stockwerk tiefer. Am hinteren Ende des Büroflurs stieß Zuger eine Tür auf. Schielin schaute hinein. Es war ein kleiner Raum, der einmal als Abstellraum geplant gewesen war. Längliche Oberlichter ließen schales Licht vom Gang her einfallen. Ein blanker Bürotisch stand an der Wand, in einem Regal stapelte sich Papiermüll. Schielin sah Zuger fragend an. Der deutete in den Raum. »Das … das hat er sich als Büro ausgewählt … diesen Raum … schauen Sie sich das an, dann brauche ich nichts weiter über ihn zu erzählen. Er hat sich selbst weggesperrt. Da kommt doch auch niemand mal auf einen Kaffee vorbei und redet mit einem … übers Wetter, über den letzten Urlaub, das Wochenende, oder was weiß ich. Schauen Sie sich das nur an, da drinnen hat er gehockt, wenn er da war, vor seinen Notebooks und hat seine Befehle, Kommandos, Zahlen und Formeln reingehackt und ist dann gegangen, grußlos, so wie er gekommen ist.«
»So wie Sie das sagen, muss ich vermuten, dass Sie ihn verachtet haben. Ist das so?«
»Manchmal habe ich ihn verachtet, ja. Wenn er seine unerträglichen Phasen hatte, dann schon. Er ist mir dann wie eine Maschine vorgekommen. Er war einfach nicht an Emotionen, an Gefühlen interessiert, sondern am Austausch von Sachinformationen. Sehr kühl, irgendwie«, antwortete Zuger ehrlich.
»Manchmal haben Sie ihn also verachtet und als Mitarbeiter war er wichtig für Sie. Privat wollten Sie keinen Kontakt zu ihm. Ist das so richtig? Was hielten Sie von ihm?«
Zuger lachte theatralisch auf. »Na, darauf habe ich fast schon gewartet … was hielt ich von ihm …
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