Hahn im Korb.
Magenschwere davon bekam. Der kräftige junge Mann um die Dreißig an seiner Seite meinte, ihm werde schon bei der bloßen Erwähnung von Kuhmilch speiübel. Don Pietro fuhr ruckartig mit dem Kopf nach hinten, ließ sich die letzten Tropfen in die Kehle laufen und reichte dem Jüngeren das Glas. Erst jetzt zeigte er Interesse für die Worte des Manns mit der coppola.
»Wann war das?« fragte er.
»Gerade eben. Ich spazierte mit Ticktack die Mole entlang …« Er unterbrach seine Rede. »Apropos, Ticktack ist nervös geworden«, sagte er.
»Eins nach dem anderen«, meinte Don Pietro.
»… und da sahen wir Vito Seite an Seite mit Corbo am äußersten Ende der Nordmole sitzen. Sie haben eine ganze Weile die Köpfe zusammengesteckt. Corbo ist dann allein ins Dorf zurückgegangen.«
»Worüber haben sie gesprochen?«
»Was weiß ich? So nah dran war ich auch wieder nicht.«
»Wie kannst du dann behaupten, daß Vito die Sache ausgeplaudert hat?«
»Mir schien es so.«
»Wem was scheint, der schießt gleich«, sagte Don Pietro lapidar. Der Mann mit der coppola schluckte.
»Und wieso ist Ticktack nervös geworden?«
»Er hat behauptet, um eine solche Sache zu erledigen, hätte man nicht ihn gebraucht.«
»Wieso, ist er etwas Besonderes? Dieser Ticktack wird ein richtig aufgeblasener Fatzke. Wenn er sich weiter so aufplustert, läuft er Gefahr, daß er eines Tages platzt. Je unsicherer seine Hand ist, desto mehr hält er sich für den Allmächtigen in Person.«
»Ein Sack Scheiße ist er«, lautete der Kommentar des jungen Manns.
Don Pietro drehte sich um und sah ihn über den Brillenrand hinweg an. Der Bursche begriff, daß er vorlaut gewesen war, und trat einen Schritt zurück.
»Also, was will er tun?«
»Er sagt, er will die Segel streichen und abhauen, das Dorf gefällt ihm nicht.«
»Ach, sieh einer an, was dem bloß durchs Hirn geht!« sagte Don Pietro und lachte vergnügt. »Und wo ist er jetzt?«
»Er ist wieder im Haus seines Cousins. Das Bein tat ihm weh.«
Don Pietro drehte den Kopf und sah den jungen Mann an.
»Weißt du, wie er sich das Bein kaputtgemacht hat? Damals warst du, glaube ich, noch gar nicht auf der Welt.«
»Ich war zwar noch nicht geboren, aber die Geschichte kenne ich trotzdem«, entgegnete dieser.
»Dann erzähl sie mir.«
»Ihnen soll ich sie erzählen?« fragte der junge Mann erstaunt.
»Ja. Ich liebe es, wenn man mir die Sachen erzählt.«
»Es war im Jahr fünfunddreißig, auf der Piazza von Mussolevi, als ein Bösewicht sich Ihnen näherte, den Revolver zückte, auf Sie zielte und Ticktack ihm mit einem Fußtritt die Waffe aus der Hand stieß. Der Angreifer hatte trotzdem noch Gelegenheit zu schießen und hat ihn ins Bein getroffen.«
»Nie darfst du das vergessen«, sagte Don Pietro, »wenn du den Namen Ticktack hörst. Damals hieß er nicht so«, erklärte er, »das ist ein Schimpfname, den man ihm hinterher wegen seines Hinkebeins verpaßt hat. Sag Ticktack«, fuhr er an Giovannino gewandt fort, »wenn er heute abend den zweiten Teil erledigen will, geht das in Ordnung.«
»Auch wenn Vito mit Corbo gesprochen hat?«
»Auch wenn Vito mit Corbo gesprochen hat. Schließlich, Giovannino, muß der Augenblick ja nicht dir günstig erscheinen, sondern Ticktack. Außerdem, woher wissen wir, ob nicht auch das einkalkuliert war? Ist es etwas Neues, daß Vito kein Ehrenmann ist und redet?«
» Mann ohne Ehr im Bauch, keinen Pfifferling taugt«, verkündete der Jüngere, was soviel bedeutete wie: Wer nichts für sich behält und alles ausplappert – obendrein vor den Gesetzeshütern! –, der hat kein Rückgrat, ist nichts wert, landet wie ein alter Schlappen im Graben.
»Was bin ich bloß für eine wichtige Person geworden!« stellte Vito bedauernd fest, als er sah, wie Pasquale eine Schar Hafenarbeiter, mit denen er gerade palaverte, einfach stehenließ und mit ausgestreckter Hand auf ihn zusteuerte.
»Hör mal«, sagte Pasquale mit mitleidigem Blick, »ich habe von der Geschichte von heute nacht erfahren.«
»Was hast du erfahren?«
»Vito!« sagte Pasquale vorwurfsvoll und spielte den Beleidigten. »Du sprichst mit einem Freund!« Dann fuhr er fort: »Seit heute früh, seitdem ich davon erfahren habe, geht mir die Sache nicht mehr aus dem Kopf.«
»Wer hat dir davon erzählt?«
»Mir? Vasalicò.«
»Und Vasalicò?«
»Masino.«
»Ihr habt also eine Stafette gebildet«, stellte
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