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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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Catania eine Arbeit besorgt, und im vergangenen Jahr ist er zwei-, dreimal auch ins Ausland, genauer gesagt nach Deutschland gereist, um einen ausgewanderten Bruder zu besuchen.«
    »Ach!« meinte Corbo. »Also dann …«
      »Was ist?« fragte Bartolini, als er sah, daß der andere innehielt.
      »Gestatten Sie, wenn Sie mehr wissen als ich, kommt es mir unsinnig vor, wenn …«
      »Sie haben recht«, sagte Bartolini, »ich stelle Ihnen ein paar Fragen, das wird besser sein. Was können Sie mir über die Schuhe auf der Brust des Toten sagen?«
      »Sehen Sie, Herr Hauptmann, bei uns findet man nicht einfach nur Geschmack am Morden, sondern liefert auch noch Erklärungen zu den Mordtaten: Ich bring' dich auf diese oder jene Weise um, weil du mir dieses oder jenes angetan hast. Wenn du beispielsweise geredet hast, anstatt zu schweigen, dann stopf ich dir etwas in den Mund; wenn du mir ein Leid zugefügt hast, das den Tod verdient, dann lege ich dir das Schaufelblatt eines Feigenkaktus auf die Brust, und so hast du dieselbe Qual zu erdulden wie ich; und schließlich, wenn du abhauen willst, zieh' ich dir die Schuhe aus und sage dir: Hast du nicht gesehen, daß du barfuß bist? Wohin willst du jetzt noch fliehen, mit nichts an den Füßen?«
      »Das paßt«, sagte Bartolini nach einer Pause zu sich selbst. »Und der Zettel?«
    »Der Zettel ist nicht so leicht zu erklären. Entweder
    brauchten sie Zeit, eben diese drei Tage, oder sie dachten, wenn der Leichnam im Verwesungszustand und halb von den Hunden aufgefressen entdeckt wird, wäre das Exempel, das sie statuieren wollten, um so eindrucksvoller.«
    »Ich glaube, die erste Erklärung ist die zutreffendste«, sagte Bartolini.
    »Das glaube ich auch«, schloß sich Corbo ihm an.
      »Und jetzt sagen Sie mir, hat dieses Verbrechen irgendwelche Auswirkungen auf das Dorf gehabt?«
      »Nichts«, sagte Corbo. »Nur Kaffeehaustratsch. Der Tote war nicht von hier.«
      »Aber er hat sich hier vor Ort umbringen lassen«, widersprach Bartolini, »oder zumindest in der näheren Umgebung. Nur Mut also.«
      »Am selben Tag, an dem wir ihn gefunden haben«, begann der Maresciallo widerwillig, »wurden zwei Schüsse auf einen Mann im Dorf abgefeuert, die jedoch ihr Ziel verfehlten. Ehrlich gesagt, kann ich nicht behaupten, daß die beiden Vorfälle miteinander in Verbindung stehen.«
    »Wer ist der Mann, auf den geschossen wurde?«
      »Ein gewisser Vito Macaluso, Besitzer eines Hühnerstalls.«
    »Was für ein Mensch ist er?«
    »Nicht vorbestraft.«
    »Vergangenes Jahr um diese Zeit«, sagte Bartolini,
    »wurde einer Person, die wir schon seit fünfzehn Jahren im Auge behalten und die zwischen 1933 und 1940 wegen Diebstahl, Betrug und Hehlerei und dann erneut wegen Diebstahl verurteilt worden und uns, Interpol und dem Rauschgiftdezernat als professioneller Drogenbote bekannt war, ein moralisch, gesellschaftlich und politisch einwandfreier Leumund bescheinigt. Dieser Mann erhielt daraufhin sogar einen Waffenschein. Das vorausgeschickt, was haben Sie mir nun – im Ernst meine ich – über ihren Nichtvorbestraften zu erzählen?«
    »Daß er tatsächlich und nicht nur auf dem Papier nicht vorbestraft ist«, gab Corbo dem Capitano zur Auskunft, der ihm langsam unsympathisch wurde, »und daß er keiner Fliege etwas zuleide täte.«
      »Aber vielleicht würde er veranlassen, daß einer Fliege ein Leid zugefügt wird.«
    Der Kerl ist wirklich widerlich, befand Corbo im stillen.
      »Gestatten Sie mir eine Frage«, sagte er, um es dem anderen heimzuzahlen. »Haben Sie zufällig eine Idee, warum Mirabile ermordet worden ist?«
      »Ich, ja«, behauptete Bartolini seelenruhig. »Und es handelt sich nicht nur um eine Idee: Er hatte zwei Orangen gestohlen.«
      »Zwei Stück?« fragte Corbo und spürte, wie seine Kinnlade vor Staunen nach unten klappte.
    »Zwei Stück.«
    »Du guter Gott, und das wegen zwei Orangen …«
    »Das waren gute Orangen«, wiegelte Bartolini ab, »von
    der Exportsorte, Prachtorangen, wie ihr sie nennt. Sie haben im allgemeinen einen Umfang von siebenundzwanzig Zentimetern und wiegen zweihundertdreißig Gramm.«
      Corbo begriff, daß der Capitano keine Witze machte, einen Moment lang hatte er geglaubt, er hätte einen von diesen verrückten Pedanten vor sich.
      »Hören Sie doch auf«, platzte er ungeduldig heraus, »ich kenne diese Prachtorangen«, und war sich nicht bewußt, daß er in diesem Ton gerade zu einem Vorgesetzten

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