Hahn im Korb.
nicht in den Kofferraum gelegt zu haben.
»Warum sehen Sie nicht spaßeshalber nach, ob sie zufällig unter den Wagen gefallen ist?« wagte Vasalicò zu sagen, etwas ängstlich, denn womöglich würde der Fremde bei einer so absurden Vermutung schließlich doch merken, daß man ihn verarschte. Der aber machte Anstalten, sich zu bücken, und die Leute machten ihm Platz. Der Turiner ließ sich bäuchlings auf den Boden nieder, beschmutzte sich ordentlich Hände und Anzug und erhob sich enttäuscht. Die Umstehenden schüttelten betrübt den Kopf.
Der Cavaliere Attard, der gerade vorbeispazierte und
begriff, wo die Glocken hingen, stürzte sich in die Menschenmenge, verschaffte sich mit wütenden Ellenbogenstößen Platz und stellte sich, die Hacken zusammenschlagend, vor.
»Ich bin der Cavaliere Attard.«
»Angenehm«, sagte der andere, reichte ihm die Hand und murmelte einen unverständlichen Namen.
Der Cavaliere ergriff die Hand und schüttelte sie kräftig. »Was ist geschehen?« erkundigte er sich.
»Dieser Herr hier«, erläuterte Vasalicò zerknirscht, »hat seinen Fotoapparat verloren.«
»In Wirklichkeit«, meinte der Signore schüchtern, »bin ich mir nicht so sicher, ihn verloren zu haben, vielmehr glaube ich, daß er mir gestohlen wurde.«
»Hoho! Aufgepaßt, was Sie da sagen!« mahnte Vasalicò.
Der Cavaliere warf ihm einen vernichtenden Blick zu.
»Kommen Sie mit mir«, forderte er den Fremden auf, »ich begleite Sie zu den Carabinieri. Sie müssen Anzeige erstatten.«
Der Angesprochene schien zu zögern, blickte um sich, sah aber nur in Gesichter, die so ausdrucksvoll wie eine nackte Glühbirne waren.
»Halten Sie das für angebracht?« fragte er etwas verunsichert.
»Für höchst angebracht sogar.«
»Wissen Sie, ich wäre meinerseits auch bereit, ein kräftiges Trinkgeld springen zu lassen …«
»Kein Bakschisch. Wir sind doch hier nicht bei den Beduinen, oder?« entrüstete sich der Cavaliere.
»Vielleicht hat der Herr recht«, schaltete sich Vasalicò an diesem Punkt ein, und alle pflichteten ihm mit Nachdruck bei, da sie fürchteten, daß der ganze Zauber bald ein Ende hätte, wenn sich der Signore überzeugen ließe, zu den Carabinieri zu gehen.
»Schafsvolk«, zischte der Cavaliere, riß gebieterisch den Schlag des Wagens auf und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Dem Fremden blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen und den Motor anzuwerfen.
»Wohin fahren wir?«
»Immer geradeaus, es ist nur drei Schritte weit.«
Vor der Kaserne angekommen, verriegelte der Turiner dieses Mal sorgfältig seinen Wagen und bedankte sich herzlich bei dem Cavaliere. Dann machte er sich auf den Weg, Anzeige zu erstatten, doch man sah ihm an, daß er sich seiner Sache nicht sehr sicher war.
Corbo erwartete ihn in Hemdsärmeln; er war erst seit kurzem von der Hafenmole zurück, und sofort hatte Tognin ihm gemeldet, daß da einer aus Turin sei, der wegen seines gestohlenen Fotoapparats Krach schlug. Corbo hatte sich nicht das Vergnügen nehmen lassen, diesen Polentafresser warten zu lassen – was glaubte der wohl, wer er war, wegen einem Furz einen solchen Aufstand zu machen!
»Nehmen Sie Platz, ich habe wenig Zeit«, platzte er grob heraus. »Erzählen Sie mir, was Ihnen zugestoßen ist.«
»Mir nichts«, erwiderte der andere, »aber ich mußte einfach diese Komödie auf die Beine stellen, Sie werden verstehen …«
»Nein«, sagte Corbo noch finsterer. »Ich verstehe nicht.«
»Ich bin Capitano Bartolini, Hauptmann vom Finanzamt.«
»Sie werden entschuldigen«, meinte Corbo betreten, während er zum Kleiderhaken eilte und nach der Uniformjacke griff, »heute früh wurde ich von der Dienststelle über Ihr Eintreffen unterrichtet, aber ich habe nicht gedacht …«
»Ich will alles über den Toten, diesen Mirabile wissen«, schnitt Bartolini ihm das Wort im Mund ab.
Ojemine! dachte Corbo. Dann ist das also eine dicke Sache!
»Ganz dick«, sagte der Capitano, als hätte er die Gedanken des anderen gelesen.
»Vito hat geredet«, verkündete Giovannino, der Mann mit der coppola, aufgeregt und voller Besorgnis.
Don Pietro trank sein Glas Milch in aller Ruhe aus, leckte sich die Lippen, schnalzte mit der Zunge und verkündete, es gäbe nichts Besseres auf der ganzen Welt als frischgemolkene warme Ziegenmilch. Er fügte hinzu, daß er jedesmal, wenn er nach Palermo ging und ein Glas Kuhmilch trank, Sodbrennen und
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