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Hahn im Korb.

Hahn im Korb.

Titel: Hahn im Korb. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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etwa …«
    »Ich könnte meine Hand dafür ins Feuer legen.«
    »Ach, geh!« wiegelte Vasalicò ab.
    »Du bist nicht überzeugt? Dann weißt du also etwas?«
    »Ich weiß gar nichts, ich habe nicht einmal mit ihm gesprochen. Doch heute waren wir im Zirkel, und mit einemmal ist er aufgestanden, als wäre ihm gerade etwas eingefallen, hat sich verabschiedet und ist gegangen. Neugierig habe ich ihm nachgeschaut: Er ging schnurstracks zum Haus von Doktor Scimeni.«
    »Vielleicht hat er Bauchweh gekriegt.«
    »Ach, woher!« widersprach Vasalicò erneut.
      »Also, nur weil einer den Arzt aufsucht, vermutet ihr wer weiß was dahinter. Gehst du etwa nicht zum Arzt?«
      »Ich, ja. Doch auf mich wurde nicht geschossen, noch nicht.«
      »Also einer, auf den geschossen wird, geht zwangsläufig zu Scimeni? Schau mal, über Scimeni wurde schon viel geredet, als er in Amerika war und auch hinterher, aber das ist Schnee von gestern. Aber über Vito wurde noch nie geredet. Vito ist ein störrisches Maultier, einer von denen, die dreißig Jahre lang immer den gleichen Weg gehen, hin und wieder zurück und nicht nach rechts oder links schauen.«
      »Eben weil er dreißig Jahre lang denselben Weg zurücklegt, ohne den Kopf zu wenden, wie du sagst, tut er nichts anderes, als ununterbrochen nachzudenken. Und eines schönen Tages setzt er das in die Tat um, worüber er dreißig Jahre lang gebrütet hat. Oder, um beim Thema störrische Vierbeiner zu bleiben, eines Tages ist er es leid, seinen Packen immer hin- und herzuschleppen, und er macht keinen Schritt mehr, selbst wenn die Glocken Sturm läuten.«
    »Vito ist nicht der Typ dazu.«
    »Nicht einmal Savaturi Barbato schien der Typ zu sein, der seiner Frau und den drei Kindern giftige Pilze zu essen gibt, als er erfährt, daß die Sprößlinge nicht von ihm stammen«, begann Vasalicò seine Aufzählung und nahm dabei die Finger zu Hilfe, »und auch Paolino Savatteri schien nicht der Typ zu sein, der seine Frau und seine Schwiegermutter ermordet, als er merkt, daß …«
      »Siehst du nicht, daß du mir mit deinen Worten sogar recht gibst?« unterbrach ihn Pasquale.
    »Wie bitte? Ich behaupte doch das genaue Gegenteil!«
      »Du bringst mir Beispiele von Ehrendelikten, und nur wenn gewisse Leute in ihrer Ehre verletzt werden, werden sie handgreiflich. Und meiner Meinung nach ist Peppi monacu … «
      »Nach zehn Jahren, in denen das halbe Dorf es mit seiner Frau treibt?«
      »Nach zehn Jahren. Meinst du vielleicht, das Ehrgefühl läuft nach Stoppuhr?«
    »Aber warum sollte er ausgerechnet auf Vito losgehen?«
      »Weil Vito der naivste von allen ist. Er tut so, als wollte er Vito erschießen, und rettet damit seine Ehre, wohingegen er, wenn er es auf mich oder dich abgesehen hätte, riskiert, daß wir ihn am Hosenboden packen und ins Meer schmeißen. Und dann müßte er Gott danken, daß es noch glimpflich ausgegangen ist. Hör auf mich, Vasalicò, das ist eine Eifersuchtsgeschichte.«
    Mammarosa war fix und fertig. Nach den Schrecken dieser Nacht hatte er den ganzen Tag um Vito gebangt, und jetzt war noch diese neue Sorge dazugekommen. Gerade überlegte er, wo er nach ihm suchen könnte – aber was war, wenn er seine Spur inmitten der vielen Leute verlöre? Mitternacht war zwar schon vorbei, doch es war die Nacht vor dem Dorffest, und deshalb mußte noch Leben auf der Straße sein. Da vernahm er ganz deutlich Vitos Schritte, der in die Straße einbog, um nach Hause zu gehen. Sein Herz schlug ihm bis zur Kehle, so hoch, daß er glaubte, es gleich auf der Zunge zu haben. Alles kam so, wie er es vorhergesehen hatte – das Eintreffen Vitos war der Beweis, auf den er gewartet hatte. Als Mammarosa sicher war, daß sich Vito in seiner Nähe befand, schoß er aus seiner Behausung hervor. Wie ein Schachtelmännchen, das in die Luft springt, wenn man den Deckel öffnet, stand er mit einemmal vor Vito, der im ersten Moment erschrak und dann, als er ihn erkannte, wütend wurde: Das ist ein echter Spürhund, der erkennt mich jetzt schon am Geruch – aber er hatte nicht einmal Zeit, den Mund aufzumachen, schon hatte Mammarosa ihn am Arm gepackt und schob ihn gewaltsam in seine Hütte. Er stolperte auf der Treppenstufe, um ein Haar hätte er eine Bauchlandung gemacht, er fluchte – beim Allmächtigen! – , aber der Alte hatte schon die Haustür hinter ihm geschlossen.
    »Brennt Licht?« fragte er.
      »Es ist stockfinster, man kann sich den Schädel einrennen«, sagte

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