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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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die Tür. Als er Flora und Victoria Arm in Arm
schlafen sah, überkam ihn Rührung. Was mochte seine Jüngste bewogen haben,
sich ins Bett ihrer Mutter zu flüchten? Wie wenig er doch über seine Kinder
wußte! Er zog sich leise zurück. Sobald der Fall Lichtenstein abgeschlossen
war, würde er um Urlaub bitten.
    Der
Gang am Main entlang tat gut. Richard freute sich auf eine Tasse Kaffee und die
Morgenzeitung, aber bevor er sein Büro erreichte, wurde er zu Franck gerufen.
Der Polizeirat verzichtete auf einen Morgengruß. »Ich habe gleich eine
Besprechung mit dem Polizeipräsidenten, Biddling. Es wäre hilfreich, wenn ich
ihm sagen könnte, daß das da«, er zeigte auf einen Stapel Zeitungen auf seinem
Schreibtisch, »nicht den Tatsachen entspricht.«
    Richard
gelang es, ihn davon zu überzeugen, daß die Berichte jeder Grundlage
entbehrten und Groß' Inhaftierung gerechtfertigt war. Die übrigen Ermittlungen
schienen Franck nicht zu interessieren, und Richard war froh, die Untersuchung
gegen David und seine Mutmaßungen über Zilly vorerst für sich behalten zu
können.
    »Ach
ja, noch was«, sagte Franck, als Richard sich schon entlassen glaubte. »Der
Leiter des Erkennungsdienstes ist der Auffassung, daß seinen Beamten die Zeit
fehlt, Kinkerlitzchen zu betreiben.«
    »Wenn
Sie damit die Abnahme von Fingerabdrücken meinen, erlaube ich mir,
anzumerken...«
    »Ab sofort
wird gemäß der Vorschriften vermessen und photographiert. Nicht mehr, nicht
weniger!«
    »Wenn
es uns gelingt, den Verursacher der Fingerspur auf Lichtensteins Hemd zu
identifizieren, ist der Mörder überführt«, sagte Richard. »Ich halte es daher
für dringend erforderlich, den Beschuldigten Groß
    »Polizeipräsident
Scherenberg und Staatsanwalt von Reden teilen meine Meinung! Wir brauchen ein
Geständnis oder einen ordentlichen Sachbeweis und keinen Hokuspokus, den Ihnen
ohnehin kein Richter in dieser Stadt abnimmt.«
    Richard
wollte etwas einwenden, aber Franck winkte ab. »Die Polizei hat Wichtigeres zu
tun, als sich mit indischen Fingerspielen zu beschäftigen.« Er lächelte.
»Außerdem sehe ich es nicht ein, warum ausgerechnet wir die ersten sein
sollten, die mit dieser angeblichen kriminalistischen Wunderwaffe auf die Nase
fallen. Dieses Vergnügen überlassen wir doch besser Polizeipräsident Koettig
in Dresden oder den Herren in Hamburg und Berlin.«
    Richard
wußte, daß jedes weitere Wort zwecklos wäre. Als er in sein Büro kam, schlug
ihm der Duft von frisch gebrühtem Kaffee entgegen. Paul Heusohn stand an
Heiners Pult und las in Dr. Popps Manuskript. »Wenn man's erst verstanden hat,
ist die Methode der Daktyloskopie wirklich faszinierend.«
    Richard
hängte seinen Mantel an die Garderobe. »Das sollten Sie bei Gelegenheit
Polizeirat Franck erzählen. Er hat angeordnet, daß wir ab sofort auf diesen
Hokuspokus verzichten.«
    »Das
ist aber ziemlich dumm! Äh... Ich meine, Herr Franck hat sicher wichtige Gründe
für diese Entscheidung.«
    Richard
bemühte sich, eine ernste Miene aufzusetzen. »Wenn Sie mit der Beurteilung
unseres Chefs fertig sind, dürfen Sie mir einen Kaffee anbieten. Und das hier
lesen.« Er drückte ihm einen Bericht in die Hand. »Damit Sie über Hopf im Bild
sind, wenn wir nach Niederhöchstadt fahren.«
    Der
Junge lächelte. »Dürfte ich fragen, ob Sie mir zu Anschauungszwecken Ihre
Fingerabdrücke zur Verfügung stellen, Herr Kommissar?«
    Es wurde
früher Nachmittag, bis sie aufbrachen. Richard beauftragte den Kutscher,
zunächst zur Gendarmerie nach Schönberg zu fahren. Im Wagen war es angenehm
warm; offenbar hatte er in der Sonne gestanden. Richard tastete nach dem
Asservat in seiner Manteltasche. Zilly, Hopf und Groß: Irgendwo mußte es eine
Verbindung zwischen ihnen geben, ein gemeinsames Motiv, Hermann Lichtenstein
zu töten!
    Sie
fuhren die Zeil entlang, am Schiller-Denkmal vorbei und über den Goetheplatz.
Richards Blick streifte das in Erz gegossene Standbild des Dichters. Er dachte
an Zillys geistige Hausapotheke. Ob es etwas zu bedeuten hatte, daß die
Frankfurter Schiller auf ein höheres Podest gestellt hatten als Goethe? Der
Wagen verließ die Goethestraße und passierte das Opernhaus in Richtung
Bockenheim. Paul Heusohn kämpfte gegen den Schlaf, und Richard beobachtete
amüsiert, wie ihm immer wieder die Augen zufielen.
    »Heusohn!
Aufwachen!« sagte er, als sie den Ortseingang von Schönberg erreichten. Der
Junge schreckte hoch. Richard grinste. »Sie haben geschlafen wie der

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