Hahn, Nikola
und
dünnen, dunkelhäutigen und hellhäutigen Frauen.
»Und wo
sind die Spiegel?« fragte Flora enttäuscht.
»In den
Gesichtern«, sagte Hopf.
Gebannt
sah Victoria auf das Bildnis ihrer Schwester. Maria trug ein schlichtes Kleid
und einen Federhut. Ihr Lächeln wirkte geheimnisvoll, ihr Gesicht verführerisch
schön. »Wer hat die Aufnahme gemacht?«
Hopf
trat neben sie. »Sagte ich nicht, daß die Photographie mein Steckenpferd ist?«
»Da ist
ja auch Tante Cornelia!« sagte Flora. »Hast du sie geärgert, Karl? Oder warum
schaut sie so böse?«
Victoria
betrachtete das Photo. Cornelia von Tennitz war in einem Licht aufgenommen, das
ihr jedes Ebenmaß und alle Weichheit nahm.
»Deine
Tante ist eine außergewöhnliche Frau«, sagte Hopf, an Flora gewandt. »Eine Dame
durch und durch. Und doch reitet und schießt sie wie der Teufel.«
»Tante
Cornelia kann schießen?« fragte Flora ungläubig.
»Und
wie! Wir beide haben schon so manche wilde Jagd hinter uns gebracht.«
»Warum
hast du dann so ein häßliches Bild von ihr gemacht?«
»Daß
sie wunderschön ist, brauche ich doch nicht zu zeigen, das sieht man im
wirklichen Leben genug.« Er sah Victoria an. »Wenn Sie mögen, können wir auch
einmal zusammen ausreiten.«
Flora
lachte. »Mama haßt Reiten! Sie verheddert sich nämlich immer mit dem Kleid im
Sattel.«
»Vielleicht
sollten Sie das Kleid einfach weglassen, Gnädigste.«
Flora
drehte sich im Kreis. »Wo ist das Geheimnis, Karl?«
»Welches
Geheimnis denn?«
»Na,
also! Du hast versprochen, daß du mir das streng gehütete Geheimnis in deinem
Spiegelzimmer verrätst!«
Hopf
zeigte auf Cornelias Photographie. »Ich biete Ihnen das faszinierendste Mysterium,
das es überhaupt gibt, gnädiges Fräulein: Einen neuen Blick auf die Dinge.«
»Pah!
Und dafür habe ich all das Zeugs gelesen?«
»Sag
bloß, die Abenteuer von Sherlock Holmes und Dr. Watson gefallen dir nicht?
Dabei haben Mr. Doyle und ich uns so eine Mühe gegeben.«
»Sie
kennen Herrn Doyle?« fragte Victoria ungläubig.
»Hatte
ich das nicht erwähnt? Ich traf ihn 1886 in Portsmouth. Eigentlich wollte ich
mir Charles Dickens' Geburtshaus ansehen. Leider kam mir eine Droschke in die
Quere, und ich landete auf dem Behandlungsstuhl des Arztes von Southsea. Und
der hieß zufällig Dr. Arthur Conan Doyle. Ein Jahr später erschien Eine
Studie in Scharlachrot.«
»Wollen
Sie damit sagen, Sie haben mit ihm über das Buch gesprochen?«
»Wir
haben bei einem Glas Wein und einem Pfeifchen trefflich über die Qualitäten
von Detektiv Dupin gestritten und mit höchstem Vergnügen die schaurige
Erzählung von Robert Louis Stevenson seziert.« Er lächelte. »Doyle konnte nicht
begreifen,
daß ich
den verruchten Mr. Hyde überzeugender fand als den krankhaft guten Dr. Jekyll.
Wußten Sie, daß Doyle Automobilrennen liebt und Schiffsarzt auf einem
Walfänger war?«
»Kann
ich zu den Hunden gehen?« unterbrach ihn Flora.
»Langweilt
dich meine Geschichte etwa?«
»Na ja,
ein bißchen schon.«
Hopf
lachte. »Ehrlichkeit soll man belohnen.« Sie verließen das Spiegelzimmer. In
der Bibliothek klingelte Hopf nach Briddy und trug ihr auf, Flora zu Benno in
den Stall zu begleiten. »Holmes' durchtriebener Gegenspieler Professor Moriarty
ist übrigens meine Lieblingsfigur«, sagte er, als die beiden gegangen waren.
»Immerhin sorgt er auf brillante Weise dafür, daß des Meisterdetektivs Leben
nicht so eintönig verläuft. Als Retourkutsche hat Doyle mich als Vorbild für
Holmes genommen.« Er sah Victorias Gesicht und amüsierte sich. »Sie zweifeln
an meinen Worten? Aber Gnädigste! Was glauben Sie, woher Sherlock Holmes Goethe
zitieren kann, noch dazu auf Deutsch? Abgesehen davon, hat sich Doyle schamlos
aus meiner Biographie bedient, um seinen Detektiv mit gewissen Vorlieben und
Eigenarten auszustatten. Aber das weiß niemand außer ihm und mir... und Sie.«
»Und
warum verraten Sie es mir?«
Seine
Hand streifte ihre Wange. »Weil ich sicher bin, daß ich Ihnen vertrauen kann,
Victoria.«
Die
Berührung, seine Stimme, der Blick aus seinen grünen Augen verwirrten sie. Was
hatte er vor? Worauf ließ sie sich ein? Sie liebte Richard! Hopf ging zu einem
Schrank und nahm ein Buch heraus. »Die Wahrheit ist ein zerbrechlich Ding. Das
zu erkennen, braucht es keine Bösewichte. Eine Amethyst-Phiole tut es
auch.«
»Sie
lesen Detektivgeschichten von einer Frau?«
Er
grinste. »Anna Katharine Greens Detektivinnen überzeugen mich nicht. Aber
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