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Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
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überraschten
Blick an, daß sie lächeln mußte. »Sie schauen im Frack auch ziemlich
gewöhnungsbedürftig aus, Herr Oberwachtmeister.«
    Er
grinste und wies auf eine Droschke. »Alles nur geborgt, Gnädigste. Vom Kragen
bis zum Wagen. Sozusagen.«
    Sie
lachte. »Bei mir auch.«
    Martin
zog seinen Zylinder und verbeugte sich. »Dann kann ja in der Höhle der Löwin
nicht viel schiefgehen, oder?«
    Sie waren
unter den ersten. Ein livrierter Diener führte sie durch einen Arkadengang in
die Empfangshalle, einen hohen, mit Stuck verzierten Saal. »Erste Lektion: Die
wichtigen Leute kommen immer zuletzt«, sagte Martin. »Damit auch jeder merkt,
wie wichtig sie sind.«
    Laura
sah sich neugierig um. Der Raum war spärlich, aber ausgesucht möbliert. Jedes
Stück schien für exakt den Platz gemacht zu sein, an dem es stand. Martin
nickte ankommenden Gästen zu, die dezent zurücknickten. »Zweite Lektion: Immer
so tun, als ob man jeden kennt. Das macht sie verlegen«, sagte er amüsiert.
    Laura
bemerkte die indignierten Blicke zweier streng frisierter Damen. Sie war zwar
nicht die einzige, die in einem Reformkleid erschienen war, aber die meisten
Frauen trugen konventionelle Abendrobe. »Wo ist Gräfin von Tennitz?« fragte
sie.
    Martin
grinste. »Sagte ich nicht, daß die wichtigsten Leute zuletzt kommen? Sieh an,
der Herr Kommissar ist auch eingeladen! Wir sollten ihn begrüßen, oder?«
    Richard
Biddling schien nicht besonders erfreut, sie zu sehen, jedenfalls ließ das die
förmliche Miene vermuten, mit der er ihnen seine Frau und seine Tochter Vicki
vorstellte. Verblüfft gab Laura ihnen die Hand. Gegensätzlicher konnten Mutter
und Tochter nicht sein. Und das lag ganz sicher nicht nur daran, daß die eine
blond und die andere schwarzhaarig war. Biddlings Frau trug ein cremefarbenes
Kleid aus Seidentaft und keinerlei Schmuck, während die Garderobe ihrer Tochter
einen aufwendigen Putz verriet. In ihrem Haar glänzten goldene Kämme, und ihr
Kleid aus roter Atlasseide war mit raffiniert geschnittenen Volants besetzt,
die ihr bei jeder Bewegung eine andere Silhouette zu geben schienen. Laura
mußte eingestehen, daß Vicki Biddling eine Schönheit war. Und es gefiel ihr
überhaupt nicht, wie sie Martin ansah.
    »Wie
lange sind Sie denn schon im Polizeipräsidium?« fragte Victoria Biddling.
Obwohl ihre Stimme freundlich klang, hörte Laura einen Mißton heraus, den sie
sich nicht erklären konnte.
    »Seit
einer Woche. Warum fragen Sie?«
    »Es ist
sicher nicht ganz uninteressant zu wissen, mit wem mein Mann zusammen Dienst
versieht.«
    »Fräulein
Rothe arbeitet nicht mit mir, sondern mit Kriminaloberwachtmeister Heynel«,
sagte Biddling frostig.
    Laura
machte es wütend, wie Martin und Vicki Biddling sich anlächelten. Der Kommissar
schien ebensowenig davon angetan zu sein, vielleicht war es ihm auch
unangenehm, daß seine Frau versucht hatte, sie auszufragen. Er gab vor, mit seiner
Familie jemanden begrüßen zu müssen und entschuldigte sich.
    Langsam
füllte sich der Saal. Hier und dort schnappte Laura Gesprächsfetzen auf, denen
sie entnahm, daß so ziemlich alles anwesend war, was in Frankfurt Rang und
Namen hatte, wenngleich sie kaum jemanden kannte. Martins Antworten auf ihre
Fragen erschöpften sich in freundlich hingesagten Belanglosigkeiten, während
sein Blick immer wieder verstohlen zu Vicki Biddling wanderte. Laura wäre am
liebsten gegangen. Plötzlich verstummten die Gespräche. Alle sahen zur Treppe,
auf der eine Frau und ein Mann herunterkamen.
    »Die
Gräfin!« flüsterte jemand.
    Sie
trug ein aus Seide gewirktes Kleid im Reformstil, das mit einem hohen Kragen
abschloß. Ihr schwarzes Haar war zu einem schlichten Knoten geschlungen, ihr
Schmuck beschränkte sich auf einen in Silber gefaßten Smaragd, den sie am
Kragen festgesteckt hatte. So unprätentiös ihre Garderobe schien, sie war
sorgfältig gewählt. Laura hatte schon viele schöne Frauen gesehen, aber Gräfin
von Tennitz stach alle aus. Daß sie ihren vierzigsten Geburtstag feierte, war
kaum zu glauben.
    Angesichts
ihrer Vollkommenheit wirkte der Mann an ihrer Seite ein wenig blaß. Der
Ähnlichkeit nach zu urteilen, war er ihr Bruder, schlank und groß wie sie, aber
in seinem Haar glänzten schon silberne Strähnen. Er hatte ein ernstes, fast trauriges
Gesicht und war sicher einige Jahre jünger, als er aussah. Laura schätzte ihn
auf höchstens Ende dreißig. Im Gegensatz zu Cornelia von Tennitz, die es
offensichtlich genoß, im Mittelpunkt

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