Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hahn, Nikola

Hahn, Nikola

Titel: Hahn, Nikola Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Farbe von Kristall
Vom Netzwerk:
sich nach ihrer Arbeit
erkundigte.
    »Seien
Sie froh, daß Sie keine Million auf der Bank haben, Fräulein Rothe«, sagte
Cornelia von Tennitz. »Nach einer kleinen Plauderei mit Herrn Adickes wären
Sie sie schneller los, als Sie sich drehen könnten.«
    Er
lächelte. »Nur ein ausdauernder Wille führt zum Sieg, gnädige Frau.«
    »Den Willen
haben Sie, fürwahr! Nach meiner letzten Stiftungszeichnung hat mich der
Schwindel gepackt.«
    »Das
tut mir aufrichtig leid, Frau von Tennitz. Aber wenn Sie es sich nicht leisten
könnten, hätte ich nicht gefragt.«
    Die
Gräfin sah Laura an. »Einer der von unserem Oberbürgermeister solcherart
Befragten hat gemeint, daß es ihn billiger käme, wenn er ihn aus eigener Tasche
pensionieren müßte, als wenn er im Amt bleibt.«
    »Sagen
Sie ihm, ich bin betrübt, sein Angebot ablehnen zu müssen.« Cornelia von
Tennitz lachte, und Laura bekam eine Ahnung, warum dieser Mann überall so viel
Respekt genoß.
    »Obwohl
er kein Frankfurter ist, hat er eine einmalige Intuition für die
gesellschaftlichen und kulturellen Ressourcen dieser Stadt«, sagte die Gräfin,
als sie weitergingen. Sie zeigte auf einen älteren Mann mit schlohweißem Haar
und Bart. »Er hat ihn hergeholt. Leopold Sonnemann, Begründer und Herausgeber
der Frankfurter Zeitung, langjähriges Mitglied der Stadtverordnetenversammlung
und von solchem Einfluß, daß er schon für Adickes' Vorgänger Miquel den
Königsmacher spielte. Sonnemann gehörte zu den Finanziers des Opernhauses und
hat den Städelschen Museumsverein initiiert.« Sie lächelte. »Ich habe mir sagen
lassen, daß es Zeiten gab, in denen die Redaktionsräume seiner Zeitung einmal
pro Woche von der Polizei auf den Kopf gestellt wurden. Heute lesen die Herren
im Präsidium das Blatt, statt es zu konfiszieren... Ach ja, die Gesichter der
beiden Damen dort am Fenster sollten Sie sich merken. Die ältere heißt Bertha
Pappenheim und leitet das jüdische Mädchenwaisenhaus in der Theobaldstraße.
Außerdem gibt sie Literaturkurse. Ihre Gesprächspartnerin ist Henriette Fürth.
Vielleicht haben Sie sie schon in der Centrale für private Fürsorge gesehen?«
    »Ich
bedaure, nein.«
    »Sie
hat eine beachtliche Abhandlung über das Pflegekinderwesen in Frankfurt
geschrieben. Sie sollten sie unbedingt lesen.«
    »Ja,
sicher.« Laura schwirrte der Kopf von den Namen und Fakten.
    Die
Gräfin lachte. »Ich gebe zu, das ist ein bißchen viel auf einmal. Passen Sie
auf, was geschieht, wenn eine Frau es wagt,
    sich
politisch zu äußern.« Sie steuerte auf ein Grüppchen Männer zu, das angeregt
diskutierte.
    »Es ist
ungeheuerlich, was dieser Döllmann in der Concordia von sich gegeben hat!«
erregte sich einer der Diskutanten, ein wohlbeleibter Mann mit
schweißglänzender Stirn. »Gesinnungslumpen hat er uns genannt! Speichellecker,
die den Ministern in Berlin die Füße küßten!«
    »Was
regst du dich auf, Arnold? Es verbietet sich jedem vernünftigen Bürger, eine
Sekunde über dieses Sozialistenpack nachzudenken - außer, wie man es am
schnellsten wieder aus dem Parlament entfernt!« sagte ein zweiter Mann mit
Kneifer auf der Nase.
    »Schlimm
genug, wenn einer in der Stadtverordnetenversammlung Quark redet«, bemerkte
ein dritter mit Kaiser-Wilhelm-Bart, und alle lachten.
    »Dem
Zensus sei Dank, wird sich das hoffentlich so bald nicht ändern«, sagte der
Wohlbeleibte.
    »Sie
finden es also richtig, daß nur neun Prozent aller Bürger dieser Stadt ihre
Vertreter wählen dürfen?« fragte Cornelia von Tennitz freundlich.
    Die
Männer starrten sie an. »Ist das nicht ein zu rauhes Terrain für eine so zarte
Frau wie Sie?« fragte der Wohlbeleibte.
    Sie
lächelte. »Mein lieber Wolffenhagen, Sie wissen doch: Segel setzen ohne Wind
hat keinen Sinn. Im übrigen wüßte ich nicht, warum Sie sich vor ein bißchen
Quark und einem Treppchen fürchten sollten.«
    »Wollen
Sie damit andeuten, daß Sie mit diesen Vaterlandsverrätern paktieren, gnädige
Frau?«
    »Ach
was. Ich bin bloß dafür, daß Frauen das Wahlrecht bekommen.«
    Den
Herren fehlten die Worte. Die Gräfin schenkte ihnen ein liebreizendes Lächeln
und ging mit Laura weiter. »Ich wette, daß das Thema jetzt nicht mehr die
Sozialdemokratie ist«, sagte sie belustigt.
    »Was
haben Sie mit Quark und Treppchen gemeint?« fragte Laura.
    »Max
Quarck ist der erste Sozialdemokrat, der es in die Frankfurter
Stadtverordnetenversammlung geschafft hat. Dort sitzt er seit drei Jahren, und
man befürchtet, die Wahl

Weitere Kostenlose Bücher