Hahn, Nikola
im November könnte ihm Verstärkung verschaffen. Zum
Treppchen ist ein sozialdemokratisches Parteilokal. Vilbeler Straße 36.«
»Dann
sind Sie also doch Sympathisantin der Sozialdemokratie?«
»Wenn
sie meinem Ziel nützt, bin ich Sympathisantin jeglicher politischen Bewegung.«
»Und
was ist Ihr Ziel?«
»Macht
und Einfluß, meine Liebe. Das ist das einzige, was in der Welt der Männer
zählt. Hat die Presse eigentlich schon Interesse an Ihnen bekundet?«
»Nein.
Warum?«
»Sie
haben einen außergewöhnlichen Beruf, oder?«
»Ich
bin erst eine Woche da und habe bislang eher im Verborgenen gewirkt. Außerdem
halten mich die meisten Bürger aufgrund meines unseligen Aufzugs für eine
Krankenschwester.« Auf Gräfin Tennitz' fragenden Blick fügte sie hinzu: »Man
hat mir angeordnet, meinen Dienst in Schwesterntracht zu verrichten.«
»Ach
ja? Dann sollte ich vielleicht mal mit Burkhard reden, daß sich das ändert.«
»Burkhard?«
»Polizeirat
Franck.«
»Wie
machen Sie das?«
»Was?
Daß sie mir zuhören, obwohl ich eine Frau bin? Meinem Vater gehört die
zweitgrößte Privatbank in Frankfurt. Und ich bin auch nicht gerade
unvermögend.« Sie lächelte. »Glauben Sie mir: Mindestens die Hälfte der
Anwesenden würde mich am liebsten den Mainfischen zum Fraß vorwerfen.«
»Warum
laden Sie sie dann zu Ihrer Feier ein?«
»Sie
müssen noch viel lernen, Fräulein Rothe. Wie gestaltet sich eigentlich Ihre
Zusammenarbeit mit Oberwachtmeister Heynel? Läßt der Gute Sie irgend etwas
selbst tun, oder müssen
Sie ihn
vor dem Nachhausegehen schriftlich um Erlaubnis bitten?«
Laura
sah in Richtung des Tanzsaals, aus dem die Klänge eines Walzers kamen. Sie
hatte sich oft genug über Martin Heynel geärgert, aber es gefiel ihr nicht, daß
die Gräfin so abfällig über ihn sprach. »Wir kommen zurecht.«
»In
jeder Beziehung?«
»Ich
verstehe nicht...?«
»Wenn
ich richtig informiert bin, hat der Oberwachtmeister eine ausgesuchte Art, die
Dinge anzugehen. Heyneische Regularien vom Keller bis zum Dach gewissermaßen.«
»Wie
meinen Sie das?«
»Wie
meine ich was?«
Laura
merkte, daß ihr das Blut, zu Kopf stieg. »Was soll das bitte heißen: Regularien
bis zum Dach?«
»Ich
wollte ausdrücken, daß Herr Heynel sicherlich ein überaus korrekter
preußischer Beamter ist. Mit allen Vorzügen und Nachteilen, die das mit sich
bringt.«
»Ah ja.
Verstehe.«
»Ich
will Ihnen nicht zu nahe treten, Fräulein Rothe. Sie sollten aber bedenken,
daß ein Lustspiel mitunter zur Tragödie werden kann. Sie entschuldigen mich?«
Mit einem charmanten Lächeln wandte sie sich zwei älteren Damen zu.
Laura
wäre am liebsten in einem Mauseloch verschwunden. Woher wußte die Gräfin von
ihrem Verhältnis? Ja, wußte sie es überhaupt? Oder hatte sie sich einfach einen
Reim gemacht und ins Blaue hineingesprochen? Warum hatte sie sie vor Martin
Heynel gewarnt? Oder wie sollte sie ihre letzte Bemerkung sonst deuten? Eine
der beiden Frauen vom Fenster kam auf sie zu. Laura versuchte, sich an ihren
Namen zu erinnern.
»Henriette
Fürth«, stellte sie sich vor. »Ich arbeite an einer Publikation über
Mutterschutz, und Herr Ammerland von der Centrale für private Fürsorge sagte,
daß Sie mir vielleicht mit Erfahrungen aus Ihrer Arbeit dienen könnten. Sie
sind auch Jüdin, nicht wahr?«
»Ich
bin aus beruflichen Gründen konvertiert.«
»Bitte
verzeihen Sie. Ich wollte nicht indiskret sein. Ich meinte mich bloß zu
erinnern, Gräfin von Tennitz habe erwähnt, daß Sie der jüdischen Gemeinde in
Berlin angehören.« Sie lächelte. »Inzwischen scheint sie sich ja mit Ihrer Existenz
abgefunden zu haben.«
»Bitte?«
fragte Laura verständnislos.
»Gräfin
von Tennitz hat recht hartnäckig versucht, eine weibliche Polizei zu
verhindern. Und fast hätte sie es geschafft. Zum Glück ist Geld nicht alles.«
Laura
glaubte, sich verhört zu haben. »Man sagte mir, sie habe sich sehr für die
Stelle einer Polizeiassistentin eingesetzt!«
»Ja,
sicher. Nachdem sie nicht mehr zu vermeiden war.« Sie winkte einer jungen Frau
zu. »Ich glaube, ich werde vermißt. Wir sehen uns sicher später noch.«
Lauras
Gedanken schlugen Kapriolen. Warum erzählte hier ein jeder etwas anderes? Sie
sah Martin Heynel aus dem Tanzsaal kommen. »Warum schauen Sie denn so
grimmig?« fragte er lächelnd.
Ein
Geburtstagsdiner war sicher nicht der rechte Ort, die Dinge zwischen ihnen zu
regeln, aber es fiel ihr schwer, ruhig zu bleiben. »Die Frage
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