Hahn, Nikola
übel verhöhnt. Vor einigen Jahren erdreistete sich ein amerikanischer
Steuermannsmaat, mich auf das Rezept der deutschen Kaffeezubereitung zu
verweisen: Bringe eine Tonne Wasser zum Sieden, lege eine Kaffeebohne hinein
und lasse den Sud einkochen, bis Geschmack und Aroma zu einem erträglichen Grad
gemildert sind. Schütte nunmehr das Getränk in eine kalte Tasse und wickle
einen nassen Lappen um deinen Kopf, auf daß du nicht zu sehr aufgeregt
werdest... Nun, man wird es mir nicht verdenken, daß ich angesichts dieser
Frechheit auch ohne Kaffee sehr aufgeregt wurde! Ich verzichte auf die
Wiedergabe der Behandlung, die dieser Mensch durch meine Faust genießen durfte
und schließe mit der Bemerkung, daß Cornelias Cafe der beste Beweis ist, daß
uns Deutschen trotz allem ausländischen Gejaule auch in der Frage der
Kaffeebereitung ein Platz an der Sonne gebührt!« Er genoß das zustimmende
Nicken einiger gesetzter Herren und lächelte süffisant. »Wie Eingeweihte ja
wissen, ist im Hause von Tennitz nicht nur der Kaffee von einer ganz besonderen
Spezialität.«
Laura
sah, wie Gräfin von Tennitz versuchte, Contenance zu wahren. Theodor Hortacker
stand auf. »Mein lieber Bernegge«, sagte er jovial, »nachdem Cornelias
vorzüglicher Kaffee durch Ihre Ausführung lau geworden ist, erlaube ich mir
anzumerken, daß ich nachvollziehen kann, warum die Engländer unsere
Flottenpolitik nicht begreifen. Wie sollten sie denn, wenn sich das deutsche
Offizierskorps für braune statt für blaue Bohnen zuständig fühlt?«
Gelächter
brach aus. Der Oberstleutnant setzte sich ohne ein weiteres Wort.
»Was
könnte dieser Bernegge mit seiner Anspielung gemeint haben?« fragte Laura, als
sie nach dem Essen mit Martin Heynel den Speisesaal verließ.
Er
zuckte die Schultern. »Der Gräfin schadet es nichts, wenn sie hin und wieder in
ihre Grenzen gewiesen wird.«
»Warum?«
»Sie
ist eine Frau.«
»Ach?«
sagte Laura wütend. »Und Sie meinen
»Ich
meine, daß man eine sinnlose Diskussion am besten rasch beendet. Kennen Sie
unser Stadtoberhaupt Adickes?«
»Nein.«
»Sollten
Sie aber. Der Große da drüben, den die Gräfin in ein Gespräch zu verwickeln
sucht.« Der Mann, auf den Heynel deutete, hatte einen imposanten grauen Bart
und überragte sämtliche Umstehenden mindestens um Haupteslänge.
»Der
Lange Franz«, sagte Laura lächelnd. »Wachtmeister Braun hat mir erzählt, daß
man den Rathausturm nach ihm benannt hat und daß seine Arbeit von den Bürgern
Frankfurts sehr geschätzt wird.«
»Ihre
Freunde von der Sozialdemokratie bezeichnen ihn als einen sturen Verfechter
antiquierten Herrenrechts.«
»Meine
Ausführungen im Citronengäßchen waren rein theoretischer Natur.«
»Das
beruhigt mich. Übrigens räumen selbst die ärgsten Sozialisten ein, daß unser Oberbürgermeister
auf gutem Wege sei, aus einem vom Kasten- und Spießergeist beherrschten Provinznest
eine moderne Großstadt zu machen. Allerdings kann ich mir kaum vorstellen, daß
Wachtmeister Braun zu seinen Bewunderern zählt.«
»Warum?«
»Adickes
läßt in der Altstadt ganze Häuserzeilen abreißen, um neue Straßen zu bauen.
Fragen Sie Braun mal nach dem Projekt Braubachstraße. Er wird ein Gesicht
ziehen, als habe er einen verdorbenen Hering verspeist.«
»Ich
verstehe nicht, was Sie gegen ihn haben!«
»Ich
habe nicht das geringste gegen ihn, Polizeiassistentin. Ich halte es lediglich
für sinnlos, meine Gunst an Verlierer zu verschwenden.«
Gräfin
von Tennitz kam zu ihnen. »Herr Oberbürgermeister Adickes möchte Sie gerne
kennenlernen, Fräulein Rothe.«
Martin
Heynel verbeugte sich. »Ich gebe Fräulein Rothe vertrauensvoll in Ihre
geschätzte Obhut, Frau von Tennitz, und empfehle mich.«
Laura
sah ihm ratlos hinterher. Hatte er auf eine Gelegenheit gewartet, sie
loszuwerden, um Vicki Biddling den Hof zu machen? Es war ihr nicht entgangen,
daß er während des Essens immer wieder in ihre Richtung geschaut hatte. Sie sah
ihn zum Tanzsaal gehen und fühlte eine solche Eifersucht, daß sie glaubte,
daran zu ersticken.
»Geht
es Ihnen nicht gut?« fragte Cornelia von Tennitz.
Sie
rang sich ein Lächeln ab. »Doch. Ausgezeichnet, Frau Gräfin.«
Oberbürgermeister
Adickes sah aus der Nähe noch beeindruckender aus. Laura kam sich wie ein
Zwerg neben ihm vor, ein Eindruck, der sich rasch verflüchtigte. Er hatte
lebhafte Augen und ein Lächeln, das ihr jede Scheu nahm. Es gefiel ihr, daß er
auf die gängigen Floskeln verzichtete, als er
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