Hahn, Nikola
zeugt von
reichlicher Arroganz, Oberwachtmeister!«
»Sind
Sie böse, weil ich Ihnen nicht den ersten Tanz geschenkt habe? Ich gebe zu,
das war ein schlimmer Fauxpas. Sagen Sie mir, wie ich ihn wiedergutmachen
kann.«
Laura
starrte ihn an. Glaubte er, daß sie sich von ihm zum Narren halten ließ? Sie
drehte sich um und ging. Im Arkadengang zur Halle holte er sie ein. »Laura!
Was ist los?«
»Woher
weiß die Gräfin von uns?«
»Was?«
Tränen brannten
ihr in den Augen. »Macht es Ihnen Spaß, mich zu demütigen, ja?«
Er zog
sie in eine Nische. »Was hat sie gesagt?«
»Zum
Beispiel, daß es bei dem Herrn Oberwachtmeister gewisse Dachstuhlregularien
gibt.«
Sie
sah, wie die Adern an seinem Hals schwollen.
»Diese
verdammte ...!« Er verschluckte den Rest.
»Die
Gräfin will, daß Sie kündigen, damit ihre Favoritin die Stelle bekommt. Dafür
tut sie alles.«
»Den
Eindruck hatte ich aber ganz und gar nicht!«
»Den
Eindruck hat man bei ihr nie. Das ist ja das Problem.« Er strich ihr über die
Wange, aber sie wischte seine Hand weg.
»Woher
kennen Sie sie?«
Für
einen Moment stutzte er. »Kennen? Nein, das ist zuviel gesagt. Frau von Tennitz
hat sich über die Arbeitsbedingungen einer künftigen weiblichen Polizei informiert.
Da war eine Begegnung mit mir nicht zu vermeiden.«
»Gerade
vorhin sagte mir jemand, daß sie diese Stelle überhaupt nicht wollte.«
»Ich
habe sie überzeugt, daß sie niemandem zum Nachteil gereicht. Das hat sie
beruhigt.«
»Warum
mag sie Sie dann nicht?«
Er fuhr
die Konturen ihrer Lippen nach, küßte ihr Dekollete. »Glaubst du wirklich, ich
bespräche mit ihr solche Dinge?«
»Martin!«
Sie hielt seine Hände fest. »Bist du verrückt? Wir können nicht hier
»Es
sieht uns keiner, oder?«
Sie
wurde wütend. »Ach ja? Und daß Sie mit Vicki Biddling verliebte Blicke
tauschen, sieht auch keiner. Was sind Sie bloß für ein Mensch!«
Schulterzuckend
ließ er sie los. »Dann eben nicht.«
Als zum
nächsten Tanz aufgespielt wurde, war er verschwunden. Laura brauchte nicht
lange zu suchen, bis sie ihn mit Vicki Biddling auf der Tanzfläche entdeckte.
Keine Sekunde länger würde sie bleiben! Allerdings gebot es die Höflichkeit,
sich von der Gräfin zu verabschieden. Laura konnte sie jedoch weder in der
Halle noch im Tanzsaal finden. Sie ließ sich ihren Mantel geben und ging über
den Arkadenflur zum Ausgang. »Auguste Deter ist zu jung für eine senile
Demenz«, hörte sie einen Mann sagen.
»Was
heißt zu jung? Ich bin zwar nicht vom Fach, aber so ungewöhnlich sind die
Symptome nicht, oder?« sagte ein zweiter.
Laura
schaute sich neugierig nach den Sprechern um. Sie standen in einem Seitengang
und bildeten ein so gegensätzliches Gespann, daß sie lächeln mußte: der eine
klein und eher schmächtig, der andere groß und stämmig wie ein Bär. Um ihre
Köpfe, schmal und grauhaarig der eine, wuchtig und kahlgeschoren der andere,
waberte Zigarrenrauch, offenbar der Grund, warum sie sich hierher zurückgezogen
hatten.
»Entschuldigen
Sie bitte. Darf ich Sie etwas fragen?« Die beiden sahen sie erstaunt an.
»Laura Rothe, Polizeiassistentin«, stellte sie sich vor. »Sie sprachen gerade
über senile Demenz. Sind Sie Ärzte?«
»Gestatten:
Dr. Alois Alzheimer, ehedem Irrenarzt an hiesiger Anstalt, nunmehr
wissenschaftlicher Assistenzarzt an der Königlichen Psychiatrischen Klinik der
Universität München«, stellte sich der Bär mit einem verschmitzten Lächeln vor.
»Dr.
Ehrlich«, sagte der zweite.
»Etwa
Dr. Paul Ehrlich?« fragte Laura.
Er
nickte.
»Ich habe
vor einigen Jahren im Jüdischen Krankenhaus in Berlin gearbeitet«, sagte Laura.
»Mein damaliger Chef, Dr. Bremm, hat mit Ihnen zusammen in Leipzig studiert.«
»Gustav
Bremm?«
»Ja. Er
hat sich gern und oft über Ihre Erkenntnisse zum Sauerstoffbedürfnis des
Organismus ausgelassen und mir erzählt, daß Sie bei Ihren Mitstudenten als Ehrlich
färbt am längsten bekannt waren.«
Dr.
Alzheimer lachte. »Das ist gut, ja.«
»Du
mußt reden.« Dr. Ehrlich sah Laura an. »Er hat seine Doktorwürde mit einer
Dissertation über Ohrenschmalzdrüsen erlangt.«
»Immerhin
war ich der erste, der sich je ernsthaft für Ohrenschmalzdrüsen interessiert
hat. Und es war mir ein Vergnügen, zu beweisen, daß deren Produkt kein Abfall
der Hirntätigkeit ist, wie meine geschätzten Kollegen zu behaupten pflegten.«
Dr.
Ehrlich lächelte. »Womit können wir Ihnen denn dienen, Fräulein Rothe?«
»Ich
habe
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