Hahn, Nikola
Schreibmaschine
mit schmutzigem e herumstünde.«
»Was
haben Sie vor, Herr Braun?«
»Ich
werde Zilly einen Besuch abstatten.«
»Sie
sind pensioniert!«
»Auch
im Ruhestand fühle ich mich rüstig genug, ein Bordell aufzusuchen, gnädiges
Fräulein.«
Sie
lachte. »Sie dürfen Laura zu mir sagen, Wachtmeister.«
Victoria
hatte versucht, Karl Hopf in Niederhöchstadt zu erreichen, eine Nachricht
hinterlassen und keine Antwort bekommen. Wenn sie an das Automobil dachte,
lief ihr ein Schauer über den Rücken. Er hatte gesagt, er habe es ausgeliehen.
Wann? Von wem? Soweit sie sich erinnerte, hatte er am Tag des
Gordon-Bennett-Rennens keine Reithose getragen. Aber auch keinen
Automobilmantel. Jedenfalls war er so spät gekommen, daß er alle Zeit gehabt
hätte, zu erledigen, was zu erledigen war. Konnte er wirklich so kaltblütig
sein, mit der Ehefrau und der Tochter seines Opfers zu scherzen? Ist Ihr
Mann nicht hier? Er kommt nach. Das ist inzwischen unwahrscheinlich, oder? Allein
der Gedanke ließ ihre Hände zittern.
Für
Kommissar Beck und Polizeirat Franck war die Sache abgeschlossen, eine
Unannehmlichkeit, an die man nicht mehr erinnert werden wollte. Und sie hatte
keinen Beweis, nichts, das es ihr ermöglichte, offen gegen Hopf vorzugehen.
Erst
recht
nicht, nachdem er bereits einmal ungerechtfertigt eingesperrt worden war.
Andererseits: War er nicht ehrlich betroffen gewesen? Und sein verstörter
Gesichtsausdruck, als er den anonymen Brief gelesen hatte - konnte sich ein
Mensch derart verstellen? Sie hatte mit Heiner Braun darüber gesprochen, und
daß er ihre Bedenken nicht hatte zerstreuen können, machte es nicht leichter.
Vielleicht hatte Richard irgend etwas über den Tod von Hopfs Frau
herausgefunden, das nicht in den Unterlagen des Schönberger Gendarmeriewachtmeisters
stand? Aber was? Wo verbarg sich die Wahrheit in diesem Gestrüpp aus
Merkwürdigkeiten? Im Feuer hat er eine, im Licht alle Farben, War Hopf
nicht wie dieser Stein?
Dreieinhalb
Wochen nach Ferienbeginn erhielt Victoria einen langen Brief von Georg Biddling
und einen kurzen von Flora. Sie mußte zweimal lesen, bis sie begriff, daß ihre
jüngste Tochter sich entschieden hatte, in Berlin zu bleiben. Ihr Vater wurde
wütend, als sie es ihm sagte, aber Victoria dachte nicht daran, mit ihm zu
streiten. Andreas Hortacker bot an, sich um die Formalitäten zu kümmern, und
sie war ihm dankbar dafür. Am gleichen Abend telegraphierte sie Georg Biddling
ihr Einverständnis. In der Nacht schlief sie schlecht, am Morgen stand sie
früh auf. Nach dem Frühstück ging sie in die Bibliothek und beantwortete Ernsts
letzten Brief. Sie war gerade fertig, als David hereinkam.
»Guten
Morgen, Schwester«, sagte er lächelnd.
Victoria
dachte an die Photographien, und es schauderte sie. »Was kann ich für dich
tun?«
»Ich
wollte nur einmal schauen, wie es dir geht.«
»Wie
soll es einer Mutter gehen, der die Kinder davongelaufen sind.«
Er
legte ihr die Hände auf die Schultern, eine seltene Geste der Vertraulichkeit.
»Vielleicht ist es nicht das Verkehrteste, wenn die beiden in Berlin ein
bißchen Abstand bekommen.«
Sie
steckte den Brief in ein Kuvert. »Na, sag schon, wo der Schuh drückt.«
»Ich
habe das Gefühl, seit Richards Tod gehst du mir aus dem
Weg«
»Ach
was.«
»Hast
du schon seine Unterlagen durchgesehen?«
»Warum?«
»Andreas
meinte, wenn du Hilfe brauchen solltest
»Warum
sagst du nicht einfach, was du von mir willst?«
»Ich
sorge mich um dich.«
Sie klebte das Kuvert zu und schrieb Ernsts
Adresse darauf. »Ich kann dich beruhigen: Hopfs Photographien sind vernichtet
Ihm
blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen. »Du weißt...?«
»Ja.«
Victoria legte den Brief weg. Sie konnte ein Zittern in ihrer Stimme nicht
verbergen. »Hast du etwas mit Richards Tod zu tun?«
David
wurde blaß, dann rot. Er faßte sie so hart am Arm, daß sie aufschrie. »Du
denkst, ich hätte deinen Mann umgebracht? Das glaubst du wirklich von mir?«
Victoria
hatte ihn noch nie so aufgebracht gesehen. »Ich weiß nicht, was ich glauben
soll, David.«
Er ließ
sie los. »Dann tut es mir leid.«
Er wollte
gehen, aber sie hielt ihn zurück. »Bitte, beantworte mir eine Frage: Wenn Hopf
die Bilder gemacht hat, und dieser Wennecke dich damit erpreßte, dann müssen
sich die beiden gekannt haben, oder?«
»Ich
habe keine Ahnung, mit wem Herr Hopf Umgang pflegt. Er
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